Leseprobe
44 Schillerhaus mit Schiller-Museum Museum hatte sich seit 1946 zunächst im ersten Stock des Schillerhau- ses selbst befunden. Der Neubau wurde seit den 1960er Jahren erörtert, er trat an die Stelle des nicht verwirklichten Vorhabens, in Weimar ein umfassendes Museum der deutschen Nationalliteratur zu eröffnen (s. Die Musealisierung Weimars. Ein geschichtlicher Abriss). Im Sinne der »nationalen Repräsentanz« der DDR – und in der Annahme, die DDR würde lange fortbestehen – sollte dem Schiller-Nationalmuseum in Marbach (bei Stuttgart) ein eigenes Schiller-Museum gegenübergestellt werden, da, soMuseumsdirektor Willi Ehrlich 1968, »die westdeutsche Bourgeoisie und die ihr dienende Literaturwissenschaft dem bürgerli- chen Schillerbild, das in vieler Hinsicht verfälscht war, eine Vielzahl reaktionärer Züge beigefügt hat«. Während Goethe der Hauptklassiker der DDR gewesen war – er wurde mit seiner Faust -Dichtung als Künder des Sozialismus verstanden –, wurde Schiller durch den Neubau ver- gleichsweise spät aufgewertet – zu einem Zeitpunkt, als Weimar und die Weimarer Klassik ihre einstige legitimatorische Bedeutung für den sozialistischen Staat weitgehend eingebüßt hatten. Der Schiller-Museumsneubau war das letzte große Projekt der NFG inWeimar. Der 1988 eröffneten Dauerausstellung stand, anders als im Goethe-Museum, nur ein kleiner eigener Sammlungsbestand zur Ver- fügung; sie hatte einen theatergeschichtlichen und, damals neuartig, einen rezeptionsgeschichtlichen Schwerpunkt, um Schiller »als einen sehr gegenwärtigen Autor zu begreifen« und um zu zeigen, dass die Texte »offen waren für Fragen der Gegenwart«. Die Besucherinnen und Besucher wurden entlassen mit der bemerkenswert vieldeutigen Einsicht Volker Brauns: »Die heutigen Zeiten drehen uns die Worte von gestern imMunde um, die harmlosen mögen schrecklich klingen und die schrecklichen harmlos. Die Wirklichkeit selbst arbeitet die Texte um, man muss ihr folgen, um realistisch zu bleiben.« Die Dauerausstellung im Schiller-Museum wurde bereits 1995 geschlossen; seit 2009 bietet im Eingangsbereich des Schillerhauses eine kleine Dauerausstellung »Schiller in Thüringen« biografische Einblicke, allerdings ohne die Relevanz von Schillers Werk zu erör- tern. Das Museumsgebäude beherbergt Wechselausstellungen. Nur der Name »Schiller-Museum« hat sich erhalten. 18 In der NS-Zeit wie in der DDR-Zeit wurden jeweils nur sehr wenige Museen errichtet: Der Grundstein für das »Haus der Deutschen Kunst« in München wurde am 15. Oktober 1933 durch Hitler gelegt, die Eröffnung fand am 18. Juli 1937 statt. Das Deutsche Bergbaumuseum in Bochum wurde in den Jahren 1936 bis 1942 errichtet; das heutige Westfälische Museum in Telgte wurde 1937 baulich erweitert. Das (nicht erhaltene) Gebäude des Zeppelin-Museums in Friedrichshafen wurde 1938 eröffnet. Der erste Museumsneubau der DDR ist das Spengler-Museum/Heimatmu- seum in Sangerhausen von 1952; die Rostocker Kunsthalle folgte 1969.
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