Leseprobe

90 Das Römische Haus im Park an der Ilm geschichte, gedachte der Zeit, deren Geist solche Bauart gemäß fand, vergegenwärtigte mir den strengen Stil der Plastik, und in weniger als einer Stunde fühlte ich mich befreundet, ja ich pries den Genius, dass er mich diese so wohl erhaltenen Reste mit Augen sehen ließ, da sich von ihnen durch Abbildung kein Begriff geben lässt.« (23. März 1787) In Paestum wie auch bald darauf in Sizilien empfand Goethe die Uneinholbarkeit der griechischen Antike in ihrer Archaik (»völlig fremde Welt«). Auf der Rückfahrt besuchte Goethe Paestum erneut und pries es als »die letzte und, fast möcht’ ich sagen, herrlichste Idee, die ich nun nordwärts vollständig mitnehme« (17. Mai 1787). Anhand dieser »Idee« hat Goethe amRömischen Haus den Übergang von dori- schen zu ionischen Säulen nachbilden lassen, das Archaisch-Schwere, Lastende, eben Dorische aus Paestum und das Elegante gegenüber- stellend, denn die ionischen Säulen waren die, die Vitruv für ein römi- sches Landhaus empfohlen hatte und die Goethe von Palladio kannte. Während solche insofern naheliegend waren, erschien die Einführung der dorischen Säulen zunächst geradezu »unmöglich«, doch gerade sie wurden »zum Signum der Epoche der Weimarer Klassik« (Andreas Beyer) und in Weimar später mehrfach verwendet, so in der Fürsten- gruft. Eine »archäologisch getreue« Nachbildung war dabei nicht be­ absichtigt, »sondern die Suche nach den elementarsten, den ursprüng­ lichen Architekturformen« (Susanne Müller-Wolff). Am 27. Dezember 1792 hatte Carl August an Goethe geschrieben: »Den Bau des Gartenhauses übergebe ich dir gantz. […] Decke es, womit und wie du willst, und thue, als wenn du für dich bauetest; unsere Bedürfnisse waren einander immer ähnlich.« Wie wichtig das Haus für Carl August war, geht auch daraus hervor, dass er in Zeiten der Geldknappheit alle Bauvorhaben unterbrach – auch den Schloss- bau –, das Römische Haus aber ausdrücklich ausgenommen war. Der Architekt war Johann August Arens aus Hamburg, den Goethe in Rom kennen gelernt hatte und den er auch am Schloss beteiligt hat. Die Innenräume wurden demgegenüber von Christian Friedrich Schuricht aus Dresden und Johann Heinrich Meyer gestaltet, Goethes Freund und Kunstberater. VonMeyer stammen auch die Wandbilder im park- seitigen Säulendurchgang, also im Freien. Wände und Säulen waren

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