Leseprobe
Quartier der Moderne 145 Experimente zu wagen? Das alles war das Bauhaus.« Nicht leicht von der Hand zu weisen ist die Beobachtung der Süddeutschen , die Monu- mentalität des Gebäudes entspreche den »Spielregeln der national- sozialistischen Architektur«, anstatt sich ihnen gegenüber zu behaup- ten. Ähnlich sah auch Die Welt in dem Museumsneubau »ein Mauso- leum für die Moderne«. »Wie ein Luftschutzbunker ragt der Quader am Rand des Schwanseeparks empor, als müsse er mindestens die Goldreserven des Freistaats Thüringen beschützen.« Die Reaktionen der Besucherinnen und Besucher scheinen indes freundlicher zu sein. Abends in umlaufenden Lichtbändern beleuchtet, erscheint das Muse- umsgebäude grazil, sich ins Horizontale auflösend und in seine Umgebung eingefügt. Zur Vorgeschichte der Gründung des Bauhauses gehören mehrere Weimarer Einrichtungen, besonders die Großherzogliche Kunstschule, die 1860 von Carl Alexander gegründet worden war; sie stand tatsäch- lich aber imWiderspruch zu den restaurativen Ansprüchen des Groß- herzogs, der Historismus und heroische Landschaften fördern wollte. Ungewollt begünstigte sie so die Entwicklung der Weimarer Maler- schule (s. Residenzschloss). 1908 wurde die Kunstgewerbeschule ge gründet, die der Belebung des Kunsthandwerks gewidmet war und die Anstöße von Henry van de Velde fortführte (s. Haus Hohe Pappeln und Nietzsche-Archiv), etwa auf den Gebieten Buchbinderei und Buchdruck, Weberei und Metallarbeiten (ihr von van de Velde ent- worfenes Hauptgebäude gehört heute zur Bauhaus-Universität). 1919 führte Walter Gropius beide, die Kunstschule und die Kunstgewerbe- schule, zur Vereinigung der gestalterischen Disziplinen – Bildhauerei, Malerei, Kunstgewerbe und vor allem Architektur – als Staatliches Bauhaus Weimar zusammen, um deren gemeinsamen Ursprung, das Handwerk, zu betonen und neu zu lehren. Gropius war der Gründer des Bauhauses, van de Velde aber, der ihm vorangegangen war und 1919 nicht nach Weimar zurückberufen wurde, seine »Hebamme« (Thomas Föhl). Die Professoren wurden Bauhausmeister genannt, die Studierenden Lehrlinge, Gesellinnen und Gesellen, sie verpflichteten sich, ein Handwerk zu erlernen. Auch die Gleichberechtigung von Frauen und
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