Leseprobe
6 Vorbemerkung Die Museumslandschaft Weimars durchläuft weitreichende Veränderungen: 2019 ist unter hoher öffentlicher Aufmerksamkeit ein neues Weimarer Museumsquartier entstanden, das Quartier der Moderne, das dem älteren ›klassi- schenWeimar‹ gegenübersteht. ZumQuartier der Moderne gehören das neue Bauhaus-Museum und das Museum Neues Weimar (jeweils Klassik Stiftung Weimar), beide in eigenständigenMuse- ums(neu)bauten (2019 und 1869). Hinzu kom- men die Ausstellung zur Geschichte des Gaufo- rums und damit zum nationalsozialistischen Weimar imGauforum selbst und künftig die Aus- stellung »Zwangsarbeit. Die Deutschen, die Zwangsarbeiter und der Krieg«, die nach zehn Jahren als Wanderausstellung in Weimar, und zwar ebenfalls imGauforum, ab 2023 als Museum Zwangsarbeit im Nationalsozialismus dauerhaft gezeigt werden wird. Ebenfalls Teil des Quartiers der Moderne sind das Stadtmuseum im nahege- legenen Bertuchhaus sowie die Stätten der Demo- kratie und ihres Scheiterns: das neue Haus der Weimarer Republik (Weimarer Republik e.V.), tatsächlich in der Stadtmitte gelegen, und die Gedenkstätte Buchenwald, geografisch außer- halb der Stadt verortet, aber sachlich-historisch in ihrer Mitte, ein Weltmuseum über Ausgren- zung und Gewalt, über das Scheitern der Demo- kratie. Daneben, durch die verschiedensten histori- schen Sichtachsen verbunden, steht das ›klassi- sche Weimar‹ mit seinem Park und den klassi- schen Stätten, unter denen vor allem das Goethe- haus seinerseits weltbekannt ist, missverstanden als Symbol des »besseren Deutschland« und doch vielschichtig und abgründig: Denn das ›klassi- sche Weimar‹ in all seiner Großartigkeit gehört doch auch zur Geschichte der zivilgesellschaftli- chen Schwäche des deutschen Bürgertums. Die Weimarer Klassik (»Ereignis Weimar«) fand im Umfeld eines noch absolutistischen Fürstenhofes statt – und sei dieser noch so kulturfreundlich gewesen. Die Weimarer Klassik hatte in der deut- schen Kulturgeschichte Anteil an einer verhäng- nisvollen Entwicklung, nämlich der, die politi- sche Entwicklung der kulturellen unterzuordnen. Insofern sind ›klassisches Weimar‹ und Quartier der Moderne derselbe symptomatisch deutsche Erinnerungsort. Alle hier vorgestellten Weimarer Museen – einschließlich einiger Nicht-Museen wie die Herzogin Anna Amalia Bibliothek, das Goethe- und Schiller-Archiv sowie das Deutsche Nationaltheater – gehören in einen gemeinsamen historischen Kontext des komplexen Verstehens ambivalenter Geschichte, jenseits der Weimar- Emphase und jenseits der Weimar-Legenden (»authentisches Goethehaus«). Diesem komple- xen historischen Kontext und seiner kritischen Erschließung ist der vorliegende Band gewidmet. Dahinter steht das Anliegen, Ergebnisse des zurückliegenden DFG-geförderten Forschungs- projekts »Kulturgeschichte des Dichterhauses« (Universität Göttingen), das der Geschichte der Weimarer Goethestätten gewidmet war, in einen
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