Leseprobe

29 Erst in ihren letzten Lebensjahren erzählte Elisabeth H. (1921–2016), was es mit den Spülapparaten auf sich hat, die sie im Bügelraum ihres Hauses in der Stadt B. bei Mainz aufbewahrte. Es sei ihr wichtig gewesen, dass diese persönlichen Gegenstände nicht auf dem Müll landeten, berichtet ihr Sohn U. H. am Telefon. 1 Irrigator und Scheiden- spülapparat waren zusammen mit einer Arzneimittelflasche (Abb. 5, S. 30) demnach für Elisabeth H. Gegenstände von Bedeutung, die sie der Nachwelt erhalten wollte. 2 Nach ihrem Tod wusste der Sohn des- halb genau, wo sie zu finden waren, und er suchte nach einem Ort, an dem diese Dinge langfristig bewahrt würden. Auf Anraten einer Frau aus dem Raum Dresden, die in den Jahren 1954/55 als Kinder- mädchen im Haushalt seiner Eltern angestellt gewesen war, übergab er die Objekte 2019 schließlich dem Deutschen Hygiene-Museum Dresden (DHMD). Als Elisabeths Mann Wilhelm H. 1945 aus der Kriegsgefangen- schaft kam, waren sie schon fünf Jahre verheiratet. Das erste ihrer drei Kinder kam 1941, das jüngste 1951 auf die Welt. Elisabeth und Wilhelm H., die als selbstständige Kaufleute im Lebensmitteleinzel- handel tätig waren, verbrachten ihr ganzes Leben in B. Ihr Sohn er- innert sich, dass seine Eltern bis zur Rente in den 1980er-Jahren »nur gearbeitet« und deshalb auch »keine Zeit« mehr gehabt hätten, wei- tere Kinder zu bekommen. Von seiner Mutter wusste der Sohn, dass sie die Spülapparate in den 1940er- und 1950er-Jahren zur Verhütung verwendete, weil sie »jedes Mal« habe befürchten müssen, schwanger zu werden. Wann und von wem sie Irrigator, Scheidenspülapparat und die Glasflasche erworben oder bekommen hatte, ist nicht bekannt. Genauso wenig erfuhr der Sohn vom genauen Gebrauch der Dinge: wie oft und wie sie verwendet wurden, ob die Mutter beide Apparate oder bevorzugt einen benutzte und ob sie spezielle Spülflüssigkeiten hinzunahm. Solche Details konnten womöglich trotz der grundsätzlichen Offen- heit der Mutter im Gespräch mit den Kindern nicht zur Sprache kom- men. Vielleicht setzte Elisabeth aber auch die Anwendungsweise als – wenngleich nur ungefähres – Wissen voraus. Einen Hinweis auf den Gebrauch gibt die kleine transparente, sechseckige Arzneimittel­ e Abb. 4 Arzneimittelflasche , 1927, Inv.-Nr. 2019/265 IRRIGATOR, SCHEIDENSPÜLAPPARAT UND ARZNEIMITTELFLASCHE – AUFBEWAHRTE OBJEKTE DER SCHWANGERSCHAFTSVERHÜTUNG

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