Leseprobe
31 spülen schützen abbrechen 1 Alle wörtlich oder sinngemäß wiedergegebenen Aussagen von U. H. in diesem Kapitel stam- men aus einem Telefonat mit ihm am 12. 4. 2019. 2 Irrigator, um 1940, Inv.-Nr. 2019/266; Scheidenspülapparat, um 1940, Inv.-Nr. 2019/267; Arz- neimittelflasche, 1927, Inv.-Nr. 2019/265. 3 Arzneimittelflasche, 1927, Inv.-Nr. 2019/265. 4 Ebd. 5 Springer, Jenny: Die Ärztin im Hause: ein Buch der Aufklärung und Belehrung für Gesunde und Kranke über die wichtigsten Fragen der Gesundheitslehre und Heilkunde, Dresden 1922, S. 1021. lässt erkennen, dass es nicht unüblich war, in der Apotheke nach Spüllösungen zu fragen und dafür nicht nur das gewünschte Präpa- rat, sondern auch eine Gebrauchsanweisung zu bekommen. Die An- weisung auf dem Klebeetikett, »zweimal täglich« zu spülen, 4 enthält zwar keinen Hinweis auf eine Körperregion und deutet eher darauf hin, dass die Lösung regelmäßig und nicht anlassbezogen angewen- det wurde. Aufgrund des Kontextes, in dem die Flasche überliefert ist, kann jedoch vermutet werden, dass die Spülung für den Vaginal- bereich gedacht war. Die Anwendungsvorschrift muss ebenfalls nicht gegen den Zweck der Schwangerschaftsverhütung sprechen, da ent- sprechende Mittel nur mit einer medizinischen Begründung erworben werden konnten. Zudem kann die Anweisung als eine Aufforderung zur regelmäßigen Anwendung gelesen werden, wie sie etwa auch die Berliner Ärztin Jenny Springer (1860–1917) in ihrem erstmals 1910 erschienenen Werk Die Ärztin im Hause Frauen empfiehlt, die regel- mäßig Geschlechtsverkehr haben. 5 Hygiene, Gesundheit und Ver- hütung waren demnach nicht streng voneinander getrennte Bereiche. Die Spülapparate und die Flasche, die vermutlich ihre Besitzerin wechselten, stehen somit für die Existenz und die Tradierung von Wissen über Körper, Sexualität und Geburtenkontrolle. Die Objekte zeigen zudem, dass und wie in der Nachkriegszeit nicht nur finanziell schlechter gestellte Familien, sondern auch die Mittelschicht in West- deutschland Schwangerschaftsverhütung betrieb; und zwar nicht, um kinderlos zu bleiben, sondern um die Zahl der Kinder zu begrenzen. Anzunehmen ist, dass diese Art der Verhütung für Elisabeth H. gut funktionierte, wenngleich unbekannt ist, ob es trotzdem zu weiteren Schwangerschaften kam. TT
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