Leseprobe

14 — Gerda Wendermann Die mit Hagen einsetzende Kenntnis dieser ›paysage intime‹ hatte eine nachdrück- liche Wirkung auf die Landschaftsmalerei in Weimar, die durch die Berufung des renom- mierten Berliner Tiermalers Albert Brendel im Jahr 1875 weiter verstärkt wurde. Mit seinen regelmäßigen Aufenthalten in Barbizon ab 1854 gehörte dieser zu den frühesten Vermitt- lern der Pleinairmalerei in Deutschland. 12 Er brachte seine große Sammlung an frühen Natur-Fotografien und Künstlergraphiken aus Barbizon nachWeimar mit, wo sie als wich- tiges Anschauungsmaterial für die Kunststudenten diente. 13 Tatsächlich fiel die neue Bewertung des Naturstudiums und des Naturerlebens in Weimar auf besonders fruchtbaren Boden, so dass sich hier aus demKreis der Hagen-Schü- ler heraus eine Gruppe von Landschaftsmalern bildete, die als Weimarer Malerschule von Mitte der 1870er Jahre an in Deutschland eine führende Rolle in der Entwicklung einer naturnahen realistischen Freilichtmalerei spielte. 14 Frühzeitig wandten sich die Weimarer Künstler, darunter Gleichen-Rußwurm als eine der zentralen Persönlichkeiten, von der sei- nerzeit dominierenden historistischen Malerei ab, um in der Natur und im Landleben das ›Einfache‹ und ›Wahre‹ zu suchen. Im Unterschied zu anderen deutschen Kunstakademien in Düsseldorf oder München mussten sie jedoch nicht aufs Land ziehen und dort eine Künst- lerkolonie gründen, sondern fanden ihre Motive unmittelbar in der näheren Umgebung. Die Entwicklung der Weimarer Malerschule Angeregt durch Hagen erkundete Gleichen-Rußwurm schon ab 1871 in auffallend intensiver Weise die Umgebung der Klassikerstadt. Hagen war zu diesem Zeitpunkt erst 29 Jahre alt, also sechs Jahre jünger als Gleichen-Rußwurm. Von Anfang an entwickelte sich so ein kollegiales Verhältnis zwischen den beiden Künstlern, das zu einer lebenslangen Freund- schaft führte. Eine große Anzahl von kleinformatigen Ölstudien Gleichen-Rußwurms, die sich im Marbacher Nachlass erhalten haben und jetzt zum ersten Mal vorgestellt werden, 12 Vgl. Carolin Dudkowiak, Gerda Wender- mann: Albert Brendel und Barbizon. In: Ausst.-Kat. Weimar 2010, S. 175 –184. Brendel mietete ab 1866 in Barbizon sogar ein eigenes Haus mit Atelier und stand in einem engen freundschaftlichen Austausch mit seinen französischen Künstlerkollegen. 13 Vgl. ebd., S. 183. 14 Siehe als Standardwerk hierzu Ziegler 2001 a. Abb. 3 Ludwig von Gleichen-Rußwurm Landschaft bei Weimar, 1873 Öl auf Karton Deutsches Literaturarchiv Marbach

RkJQdWJsaXNoZXIy MTMyNjA1