Leseprobe
Barbizon und die Folgen — 15 entstand in den Frühjahrs- und Sommermonaten seiner Weimarer Studienzeit bis 1875. 15 Da sie genau datiert sind, lässt sich nachweisen, dass Gleichen-Rußwurm derjenige war, der einen Großteil der charakteristischen Motive der erst später so benannten Weimarer Maler- schule entdeckte. Seine Ölstudien zeigen etwa den Stadtrand Weimars, den Blick auf den lang gestreckten Ettersberg, denWeg durch das Kirschbachtal in Richtung Niedergrunstedt, den Wilden Graben und den Schanzengraben, den Windmühlen-Hügel sowie den Park an der Ilm (Kat. 2, 8). 16 Diese Arbeiten sind mit Ölfarben auf Karton gemalt und zeigen je vier Einstichlöcher in den Ecken. Die Farbe ist mit kurzen, zügig gesetzten Pinselstrichen auf- getragen. Bemerkenswert ist das schnelle und sichere Erfassen des Motivs. Diese Unmittel- barkeit macht den großen Reiz der Bilder aus. Schon hier erweist sich die Vorliebe Gleichen- Rußwurms für grüne Farbstufungen, die den Gesamteindruck dominieren. Einige Studien fallen jedoch durch ihre hellen blausilbrigen Farbtöne auf (Kat. 3). Bislang galt Karl Buchholz als Entdecker der Hauptmotive der Weimarer Maler- schule, da er als Sohn eines Landwirts in Schloßvippach, jenseits des Ettersberges gelegen, die Umgebung Weimars von Kindheit an kannte. Buchholz hatte zwei Jahre vor Gleichen- Rußwurm sein Studium bei Alexander Michelis begonnen. Er setzte es nach dessen frühem Tod ebenfalls bei Max Schmidt fort, wo sich beide Künstler begegneten. Als Meisterschü- ler Schmidts bezog der 13 Jahre jüngere Buchholz im Prellerhaus an der Belvederer Allee ein eigenes Atelier, das er auch später – nach seinem Umzug nach Oberweimar – behielt. Von Oberweimar aus fand er seine Motive in den umliegenden Dörfern. 17 Zu seinen Ent- deckungen zählt zweifellos das Webicht, ein kleiner Wald zwischen Weimar und Tiefurt, der nach dem Vorbild des Waldes von Fontainebleau zu einem der Lieblingsmotive der Weimarer Malerschule wurde. Seine ersten Webicht-Bilder entstanden ab 1873 in dichter Folge und wurden regelmäßig in der Weimarer Kunstschule ausgestellt. 18 Dabei bevorzugte er motivisch den Vorfrühling, den Spätherbst und die Vorwinterzeit sowie die Morgen- und Abendstimmung. Charakteristisch sind für ihn eher kleinformatige Bilder, die das Innere des Webichts mit seinen schnurgeraden Wegen wiedergeben. 15 DLA Marbach, Inv.-Nr. 6597/1-67 aus B 2008.H.3. 16 Darüber hinaus existieren auch einige Ölstudien aus dem Saaletal bei Rudolstadt, das er auf den Spuren seines Großvaters Schiller besuchte, aus Schwarzburg am Rande des Thüringer Waldes sowie von seinen Reisen Richtung Bodensee oder nach Oberaudorf an der bayerisch-österreichi- schen Grenze. 17 Vgl. Ausst.-Kat. Lübeck/Erfurt 2000, S. 114–146; Ausst.-Kat. Apolda 2011. 18 Aus demWebicht bei Weimar , 1873, Leipzig, Museum der bildenden Künste, Inv.-Nr. 917. Vgl. Scheidig 1991, Verzeichnis der in Weimar ausgestellten Werke, S. 241. Abb. 4 Karl Buchholz Landschaft bei Regen, 1875 Öl auf Leinwand Museum der bildenden Künste, Leipzig
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