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232 — Auswahl von Briefen AUSWAHL VON BRIEFEN von und an Ludwig von Gleichen-Rußwurm Dr. Friedrich Dörnhöffer 1 an Ludwig von Gleichen-Rußwurm, 10. November 1900 DLA Marbach A: Schiller, Friedrich 47785, unfol. [Gedruckter Briefkopf: DIRECTION DER K.K. HOF-BIBLIOTHEK, Wien] Wien, 10. November 1900 Hochgeehrter Herr Baron! Mit nur wachsendem Entzücken habe ich die Radierungen, die Sie die Güte hatten unserer Samm- lung zuzusenden, durchgesehen und wieder durchgesehen und ich gestehe, daß mir die Auswahl daraus sehr schwer fiel. Ich würde die Erwerbung der ganzen Sammlung für unser Cabinet für einen köstlichen Gewinn halten, muss aber zu meinem grossen Bedauern die Nothwendigkeit erkennen, sich mit einer Auswahl zu begnügen. Da bei den Ankäufen unseres Institutes bis vor 2 Jahren die ganze zweite Hälfte des Jahrhunderts so gut wie gar nicht berücksichtigt wurde, so obliegt uns nun die Aufgabe, vorerst nur die allerwichtigsten Erscheinungen auf dem Gebiete der Graphik in einzelnen charakteristischen Beispielen zur Vertretung zu bringen. Zudem befindet sich jetzt gegen Ende des Jahres die Kasse unseres Kabinetes im Zustande ziemlicher Erschöpfung. Ich führe das nur an, um den Vorschlag zu erklären, den ich nun wage, Ihnen zu machen. Ich brau- che wohl nicht zu sagen, daß ich mit dem Preise, den ich anzubieten mir erlaube, nicht etwa eine Werthschätzung zu geben mich unterfange, sondern dass ich damit lediglich den Zustand unserer gegenwärtigen Leistungsfähigkeit bezeichne, die ich in Anbetracht der vorliegenden Werke sehr lebhaft grösser wünschte. Wollen Sie Ihre Einwilligung geben, daß wir um 200 Mark aus Ihrer Collection 4 bis 5 Drucke zurückbehalten, so sind wir Ihnen sehr verpflichtet. Bezüglich des grossen Blattes »Das Klingen im Walde«, 2 das in Paris ausgestellt war, habe ich mich an Amsler u[nd] Ruthardt 3 gewendet, bin aber bisher ohne Auskunft. Noch eine Bitte erlaube ich mir (im Interesse der »Gesellschaft für vervielfältigende Kunst«, deren Secretär ich bin), an Sie zu richten. Dürfen wir hoffen, in einer unserer nächsten »Jahresmappen« ein Originalblatt Ihrer Hand bringen zu dürfen? Ich habe Ihnen bereits mitgetheilt, daß wir mit dieser Publication eine Auslese der besten modernen graphischen Arbeiten aller Länder zu bieten anstre- ben. Das Format dieser Mappen ist 45 : 56 cm. Die nächste Mappe wird im Frühjahr erscheinen. Genehmigen Sie, hochgeehrter Herr Baron, den Ausdruck meiner grössten Hochachtung! Ergebenst Dr. Fr. Dörnhöffer 1 Friedrich Dörnhöffer war von 1909 bis 1914 Gründungsdirektor der Modernen Galerie in Wien, der späteren Österreichi- schen Galerie Belvedere; von Ende 1914 bis 1933 Generaldirektor der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen, München. 2 Vgl. Abb. in Eggeling 1904, Verbleib unbekannt. Das Blatt wurde 1900 auf der Weltausstellung in Paris ausgestellt. Für diesen Hinweis danke ich Nico Kirchberger. 3 Amsler &. Ruthardt, Verlag, Auktionshaus und Kunsthandlung in Berlin von 1860 bis mind. 1929; spezialisiert auf Graphik.

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