Leseprobe
seinem Arbeitstisch aus, bot (Abb. 1). Über den noch unbebauten, mit Buschwerk und niedrigen Bäumen bewachsenen Abhang des Pincio hinweg fällt der Blick auf eine Mauer, hinter der die oberen Geschosse der Villa Medici mit ihren beiden turm- artigen Aufsätzen emporragen. Nach rechts hin erscheint das Gelände abschüssig. Von SS. Trinità dei Monti tauchen gerade noch die Klostergebäude sowie der rückseitige Abschluss des hohen Kir- chenschiffs auf, bevor der Fensterrahmen bzw. die Blattkante die Aussicht abrupt beschneidet. Der niedrige Horizont, die leicht schräg gestellten Gebäude in Untersicht und der den zufälligen Gegebenheiten überlassene, fragmentierte Bildaus- schnitt verleihen der Skizze den Charakter einer unkomponierten Momentaufnahme, obwohl Wein- brenner die Sepiazeichnung sorgfältig lavierte. Ungewöhnliche Dachstubenaussichten fertigten in dieser Zeit in Rom vor allem französische Pleinair- maler.16 Während dort aber unspektakuläre Dächer und Hauswände wiedergegeben wurden, besteht bei Weinbrenner eine Diskrepanz zwischen dem Status der Gebäude als Wahrzeichen des Pincio und ihrer beiläufigen und zum Teil fragmentierten Wiedergabe. Das Notat war offensichtlich nicht für die Öffentlichkeit bestimmt. Hummel widmete seinem Fensterausblick gleich zwei Zeichnungen im selben Skizzenbuch. Zunächst erfasste er auf Seite 45 ganz zart mit Blei- stift die Umrisse der Gebäude entlang des Hanges. Die Skizze endet mit dem nördlichen Turm von SS. Trinità dei Monti. Vermutlich handelt es sich bei diesem Blatt um den ungeschönten Ausblick aus seinem Zimmer. In einer zweiten, nun über eine Abb. 2 / Johann Erdmann Hummel AUSBLICK AUS SEINEM ZIMMER IN DER VIA MARGUTTA um 1794, Skizzenbuch Nr. 6, S. 54–55, Bleistift, Feder in Schwarz, partiell mit Aquarell laviert, 23 × 37,5 cm, Staatliche Museen zu Berlin, Kupferstichkabinett
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