Leseprobe

In Leopold Zielckes ungefähr Mitte der 1820er Jahre entstandenem Aquarell Erdmann Hummel bei der Perspektivlehre an der Königlichen Akade­ mie der Künste (Kat. 93) werden wir unmittelbare Zeugen einer Lektion in dieser speziellen Disziplin, so wie sie Hummel seit Antritt seiner Professur für Perspektive im Jahr 1809 an der Berliner Akademie zu vermitteln pflegte (Abb. 1). Etwa 20 Schüler sind im Saal mit verschiedenen Aufgaben der per­ spektivischen Konstruktion beschäftigt. Die größte Gruppe hat sich vorn um den Tisch versammelt, an dessen Ende rechts der Professor – im blauen Rock – anhand eines Modells die Grundprinzipien der Perspektive erläutert: Auf einem Brett sind zwei Vierkanthölzer errichtet, zwischen denen eine Glas- tafel eingespannt ist. Dahinter befinden sich kleine stereometrische Körper, ein Zylinder, eine Kugel, ein Kegel und ein Quader (vgl. Abb. 2). Vor den Rahmen hat Hummel einen Visierstab positioniert, auf den er mit dem Zeigefinger der rechten Hand deutet. Er selbst hat sich mit einer Art Spezialbrille aus­ gestattet, die das Sehen mit einem Auge ermög- licht, um die Korrektheit der perspektivischen Konstruktion genau zu überprüfen. Was hier gezeigt wird, ist ein Perspektiveaufbau, wie er in ähnlicher Form bereits aus Dürers Unterweysung der Messung bekannt ist. In Hummels Perspektiveunterricht hatte dieses Gerät allerdings eine besondere Funktion. Es diente ihm als visueller Beweis, um die Analogie der perspektivischen Konstruktion mit dem menschlichen Sehen zu veranschaulichen. Aus- drücklich empfahl er auch in seinem Lehrbuch Die freie Perspektive , die mathematischen Sätze anhand eines selbst gebauten Modells und mittels gespannter Fäden zu überprüfen. Links hinter dem Glastafel-Aufbau auf dem Tisch ist in Zielckes Aquarell außerdem ein Blatt Papier mit einer einfachen Strichzeichnung zu erkennen. Sie zeigt die drei Grundkomponenten, die am Anfang einer jeden perspektivischen Konstruktion stehen: ein Rechteck, das den Bildausschnitt gibt, und darin eingezeichnet zwei sich kreuzende Linien. Abb. 1 / Leopold Zielcke JOHANN ERDMANN HUMMEL ERKLÄRT ANHAND EINES MODELLS DIE GRUNDPRIN- ZIPIEN DER PERSPEKTIVE Detail aus: Erdmann Hummel bei der Perspektivlehre an der Königlichen Akademie der Künste , Berlin, um 1830, Pinsel, Tusche auf Papier, 43 × 43,6 cm, Stiftung Deutsches Historisches Museum, Berlin

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