Leseprobe
14 15 mit ihrem kompakten Kirchturm von den Bekewiesen und dem Waldrand des Lindenbruchs aus gesehen, Stege und Brücken über die Beke und parkähnliche Baumgruppen oder der einsam am Stadtrand befindliche jüdische Friedhof zu beliebten Studienobjekten. Hinzu kamen als reizvolle Motive die Ufer der Warnow, angrenzende Torfmoore, mehrere Zie geleien, Blicke auf die Stadt von der Obotritenhöhe, dem Windmühlenberg oder der Flussbadeanstalt bis hin zur höl zernen Warnowbrücke. Vom gestaltenden Auge erst einmal entdeckt, bot Schwaans Umgebung unendliche Anregungen für das Malen vor der Natur. Auch die Schweriner Otto Dörr (1831–1868), Eduard Ehrke (1837–1884) sowie der herausragende meck lenburgische Landschafter Carl Malchin (1838–1923) malten und zeichneten um 1855/1860 in Schwaan. Malchin hatte dort bei dem Kammeringenieur Krüger den Beruf eines Geometers erlernt und war nach dem Gehilfen examen weitere drei Jahre hier tätig. Bildkünstlerische Zeug nisse aus Schwaan sind bisher weder von ihm noch von Dörr oder Ehrke nachweisbar. Es bleibt dennoch bemerkenswert, dass der berufliche Weg des vielseitigen Begründers einer re lativ eigenständigen, wirklichkeitsbezogenen mecklenburgi schen Landschaftsmalerei in Schwaan begann. Allerdings sollte sich Schwaan erst mit dem gebürtigen Schwaaner Franz Bunke (1857–1939) zu einem Künstlerort entwickeln. Bunke hatte ab 1878 an der Weimarer Malerschule studiert und war hier anschließend selbst als Lehrer für Landschaftsmalerei tä tig. Über seine Bindungen zu Weimar und Schwaan äußerte er sich 1935 wie folgt: »Die Kunstschule war nicht eine Lehranstalt im üblichen Sinne, sondern im Geiste der Medici des alten Italiens, mehr eine Meisterschule für junge, schon selbständig arbeitende Künstler […] Das Verhältnis zwischen Lehrern und Schülern auf der Kunstschule war ein kameradschaftliches, da außer dem berühmten Albert Brendel, die Lehrer selbst noch junge Menschen, mitten im Ringen um Vollendung waren […] Aber meine Heimat vergaß ich deshalb nie. Sie war für meine Kunst ein Jungbrunnen, woraus sich alljährlich im Sommer und Herbst in der heimatlichen Landschaft meine Kunst auf baute, auch Kollegen und Schüler nachzog, so dass Wilhelm Schmidt von einemmecklenburgischen Worpswede schrieb.« 1 Anfänglich brachte er während der unterrichtsfreien Zeit Kollegen wie Paul Baum (1859–1932), Arno Metzeroth (Le bensdaten unbekannt), Paul Riess (1857–1933), Rudolf Holz schuh (1865–1943) oder Richard Starke (1864–1945) zum ge meinsamen Naturstudium mit in seine mecklenburgische Heimat. Nachweislich weilte Paul Baum 1882, 1883, 1885 und 1886 in Schwaan. Er war wohl der erste Künstler, den Bunke in die heimatliche Umgebung führte. Ab 1892 folgten Bunke re gelmäßig Schülerinnen und Schüler, da Weimar damals als eine von wenigen Bildungseinrichtungen Frauen zum Studium Abb. 2 Franz Bunke: LANDSCHAFT MIT FRIEDHOF (ALLERSEELEN IN SCHWAAN) Öl auf Leinwand, 63 ×90 cm, Staatliche Schlösser, Gärten und Kunstsammlungen Mecklenburg-Vorpommern Abb. 1 Franz Bunke: WENN DER FLIEDER… um 1910, Öl auf Leinwand, 76× 110 cm, Kunstmuseum Schwaan
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