Leseprobe
Vorbemerkungen Den Rahmen für die auswärtige Kulturpolitik der slowakischen und kroatischen Teilrepublik setzte die Außenpolitik ihrer Gesamtstaaten. In der ersten Hälfte der 1970er-Jahre stand sowohl die tsche- choslowakische als auch die jugoslawische Außenpolitik vor erheblichen Herausforderungen. Ver- antwortlich hierfür waren internationale und innenpolitische Entwicklungen. Ausschlaggebend war die sich verändernde weltpolitische Lage, die durch verschiedene, scheinbar sich widersprechende Entwicklungen inner- und außerhalb Europas geprägt war. Die Sowjetunion und die Vereinigten Staaten von Amerika setzten zunächst die Entspannungspolitik fort. Die Annäherung erreichte mit der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) im Jahr 1975 in Helsinki ihren Höhepunkt, blieb jedoch auf Europa beschränkt. 1 Das schien zur »Friedenszone« zu werden, während sich in der Dritten Welt die Konfrontation verstärkt hat, auch, indem sich die zwei Großmächte direkt an militärischen Kämpfen, ob in Vietnam oder Angola, beteiligten. 2 Darüber hinaus bestimmten die beiden Machtblöcke in Afrika und Asien längst nicht mehr uneingeschränkt. Mit der Bewegung der Blockfreien, die sich mehrheitlich aus Staaten in Afrika, Asien und Südamerika zusammensetzte, und mit anderen selbstbewusst auftretenden Akteuren wie die Volksrepublik China konkurrierten zuneh- mend mehr Akteure um Einfluss in diesen Weltregionen. 3 Dies beeinflusste maßgeblich das außer- europäische Engagement der Tschechoslowakei und Jugoslawiens. Die Priorität der Belgrader Staats- führung war es, die Bewegung der Blockfreien stärker in der internationalen Politik zu positionieren und Forderungen, beispielsweise nach einer neuen Weltwirtschaftsordnung, durchzusetzen. 4 Die tschechoslowakische Parteiführung teilte hingegen die sowjetische Hoffnung, dass mit dem Bekennt- nis zumMarxismus-Leninismus von Staaten wie Angola, Mosambik oder Guinea-Bissau das sozialis- tische Weltsystem international weiter an Zustimmung gewinnen würde. 5 Vor diesem Hintergrund intensivierten beide Staaten ihre politischen Initiativen gegenüber afrikanischen und asiatischen Staaten zu Beginn der 1970er-Jahre. Parallel zu den internationalen Entwicklungen gerieten die zwei sozialistischen Länder in schwer- wiegende innenpolitische Krisen. In der Tschechoslowakei schlugen Truppen des Warschauer Paktes im August 1968 den »Prager Frühling« nieder. Der Einmarsch des Militärbündnisses, in dem das Land selbst Mitglied war, beendete die wenige Monate andauernde Reformpolitik der KPČ. 6 Unter dem Druck der Verbündeten mussten die tschechoslowakischen Kommunisten nicht nur die Reformen zurücknehmen, sondern es folgten auch umfassende personelle »Säuberungen« in Partei und Staat. Die neue Führung der Kommunistischen Partei mit Gustav Húsák als Generalsekretär verfolgte ab 1969 diesen restaurativen Kurs bis zum Ende ihrer Herrschaft im Jahr 1989. Während die tschechoslowakischen Reformkommunisten unter Alexander Dubček das Ringen um mehr Selbstständigkeit gegenüber der Sowjetunion im August 1968 aufgeben mussten, hatte 1 Vgl. Dülffer, Jost: Europa im Ost-West-Konflikt 1945–1990. München 2004, 84–89. 2 Vgl. Jansen/Osterhammel, Dekolonisation, 105. 3 Vgl. Dinkel, Die Bewegung Bündnisfreier Staaten, 151–156. 4 Vgl. Tarrósy, István: Need for non-alignment in our global world? The Non-Aligned Movement Today and Tomor row. In: Croatian International Relations Review 40 (2005) H. 11, 157–164. 5 Vgl. Priestland, Weltgeschichte des Kommunismus, 568–569, 575. 6 Vgl. Williams, Kieran: The Prague Spring and its afthermath. Czechoslovak politics 1968–1970. Cambridge 1997, 29–39.
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