Leseprobe

Die innenpolitischen Krisen und ihre Auswirkungen auf die Außenpolitik Der Fall Tschechoslowakei Der »Prager Frühling« 8 (1968), die »Normalisierung« und der »slowakische Faktor« nach 1968 Der Einmarsch von Truppen des Warschauer Paktes in die Tschechoslowakei in der Nacht zum 22. August 1968 hat die kurze Reformperiode des Prager Frühlings beendet. Bereits am 26. August verpflichtete sich die tschechoslowakische Partei- und Staatsführung, in der Mehrheit noch die Befür- worter des Wandlungsprozesses selbst, im »Moskauer Protokoll«, das Reformprogramm und die April-Beschlüsse zurückzunehmen. In den ungleichen Verhandlungen mit der sowjetischen Seite willigten unter anderem der Generalsekretär der KPČ Alexander Dubček, der Ministerpräsident Oldřich Černík und der Präsident des Landes Ludvík Svoboda ein, den alleinigen Machtanspruch der Kommunistischen Partei wiederherzustellen, die Zensur erneut einzuführen und der Stationierung von sowjetischen Truppen zuzustimmen. 9 In dem im Anschluss für die Öffentlichkeit formulierten Kommuniqué hierzu hieß es, dies sei zur »Normalisierung der Verhältnisse« notwendig. Der euphemistische Begriff der Normalisierung 10 stand in den folgenden zwei Jahrzehnten für eine Reihe von tiefgreifenden politischen Maßnahmen, die das »Chaos« der Reformmonate beenden und die »normale« Ausgangslage wiederherstellen sollten. Der Historiker Christoph Broyer führt das Programm und die Wesensmerkmale der Normalisierung wie folgt zusammen: 8 Im Folgenden wird bei den Begriffen »Prager Frühling«, »Normalisierung«, »Säuberungen« sowie »sozialistischer Realismus« nach der erstmaligen Nennung auf die Anführungszeichen verzichtet. Das gilt auch für Begriffe, die den jugoslawischen Kontext beschreiben, wie »dritter Weg« und »Brüderlichkeit und Einheit«. 9 Vgl. Karner, Stefan/Bischof, Günter/Wilke, Manfred/Ruggenthaler, Peter: Der »Prager Frühling« und seine Nieder­ werfung. Der internationale Kontext. In: Prager Frühling. Das internationale Krisenjahr 1968. Beiträge. Hg. v. Stefan Karner/Natalja G. Tomilina/Alexander Tschubarjan. Köln 2008, 17–81, hier 43. 10 Der Begriff der Normalisierung fand bereits nach dem Zweiten Weltkrieg Eingang in die politische Sprache. Nach 1955 wurde er häufig genutzt, umdie sowjetisch-jugoslawischen Beziehungen, die nach demBruch im Jahr 1948 in den 1950er-Jahren eine Verbesserung erlebt hatten, zu beschreiben. Auch im Hinblick auf die bundesrepublikanische Ost­ politik fand der Begriff Verwendung. Dem lag mehrheitlich ein Verständnis zugrunde, Dinge oder Situationen wieder in die normale Ausgangslage zurückzuführen. Vgl. Williams, The Prague spring and its aftermath, 39–41.

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