Leseprobe
»Globalisierung sozialistisch«: 90 Der globale Süden in der Außenpolitik der Tschechoslowakei und Jugoslawiens Der Fall Tschechoslowakei: Die politischen Initiativen vor und nach 1968 Die Niederschlagung des Prager Frühlings beendete eine »optimistische« Phase in der tschecho- slowakischen Außenpolitik, wie der tschechische Historiker Jindřich Dejmek die Jahre bis 1968 bezeichnete. Denn seit den frühen 1960er-Jahren hatte die tschechoslowakische Führung ihr inter- nationales Engagement verstärkt. In diesem Zeitraum hatte die Entspannungspolitik zwischen Ost und West in Europa sowie die voranschreitende Dekolonisation in Afrika dem sozialistischen Land neue Handlungsspielräume eröffnet. 91 Dazu trug bei, dass das Außenministerium zu dieser Zeit wesentlich professioneller als in den ersten Jahren nach der kommunistischen Machtübernahme agieren konnte. Eine neue und gut aus- gebildete Generation an Diplomaten setzte nun die internationale Strategie der Partei um. 92 Mit den ersten Absolventen der sowjetischen Diplomatenhochschule, des Staatlichen Moskauer Institutes für internationale Beziehungen, gewann die tschechoslowakische Außenpolitik insbesondere Experten für außereuropäische Regionen hinzu, denn sie hatten in Moskau unter anderem afrikanische und asiatische Sprachen gelernt. 93 Zudem eröffnete das Außenministerium zahlreiche neue diplomatische Vertretungen in Afrika. Botschaften wurden in Marokko und Tunesien sowie in zwölf Staaten in Subsahara-Afrika aufgebaut. 94 Mit diesen diplomatischen Aktivitäten unterstützte das sozialistische Land das sowjetische Enga- gement in der Dritten Welt. Der Generalsekretär der KPdSU, Nikita Sergejewitsch Chruschtschow, 90 Der Kapiteltitel ist angelehnt an die Publikation von Martin Aust über die internationale Politik Russlands be ziehungsweise der Sowjetunion im 19. und 20. Jh. Vgl. Aust, Globalisierung imperial und sozialistisch. 91 Vgl. Dejmek, Diplomacie Československa, 177–179. 92 Die liberalere Atmosphäre in den 1960ern zeigte sich in einer veränderten Personalpolitik des Außenministeri ums. Die diplomatische Karriere stand nun auch Vertretern anderer Parteien aus der Nationalen Front offen, zuvor war dieser Weg ausschließlichMitgliedern der KPČ vorbehalten. Zudemwurden Diplomaten, die während der Säuberungs wellen in den 1950ern ihre Position im Ausland verloren hatten, rehabilitiert und konnten wieder den Dienst aufneh men. Vgl. ebd., 188–192. 93 In der Mehrheit kamen sie in den Jahren 1953 und 1956 ins Amt. Zuvor waren die Diplomaten der Beneš-Adminis tration und die ersten kommunistischen Funktionäre im Außenministerium einer Säuberungswelle zum Opfer gefal len. Vgl. ebd., 179. 94 Vgl. ebd., 182–184.
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