Leseprobe
q 64 Unter Druck in Brno daran beteiligt, die erste ägyptische Militärschule zu eröffnen und unterrichteten dort in den folgenden Jahren. Die hier gesammelten Erfahrungen setzten sie später ein, als sie in den 1970er-Jah- ren auch in Afghanistan und im Irak bei dem Aufbau von Ausbildungsstätten beraten haben. 100 In vielen Fällen hat die tschechoslowakische Waffenindustrie die Unabhängigkeitsbewegungen bereits in den Kriegen gegen die europäischen Kolonialmächte beliefert. Die ehemals portugiesischen Kolonien Guinea-Bissau, Angola und Mosambik, die erst in den 1970er-Jahren ihre Unabhängigkeit erreichten, erhielten beispielsweise seit den 1960ern Kriegsmaterial. 101 Die antikoloniale Bewegung in Guinea unter Amílcar Cabral erhielt nicht nur Waffen. Amílcar Cabral arbeitete sogar für den tschecho- slowakischen Geheimdienst und berichtete seinem Auftraggeber über die innenpolitischen Entwicklun- gen in seinem Heimatland. 102 Bei den Aktivitäten auf diesem Sektor profitierte die Tschechoslowakei davon, ein sekundärer Akteur in der internationalen Politik zu sein. Denn viele afrikanische und asiati- sche Vertragspartner bevorzugten Prag, da die Kooperationen um ein Vielfaches unauffälliger erschie- nen als eine direkte Zusammenarbeit mit der Sowjetunion. Dies nutzten vor allem diejenigen Staaten, unter anderem Ägypten und Indonesien, die sich selbst als neutral im Ost-West-Konflikt positioniert hatten. Darüber hinaus profitierte die ČSSR von dem guten Ruf ihrer Waffenproduktion und von Netz- werken in diesem Bereich aus der Zwischenkriegszeit, die beispielsweise mit Ägypten und Indonesien bestanden haben. 103 Am Ende der 1980er-Jahre, nach Jahrzehnten dieser Form von Zusammenarbeit, waren Waffen aus tschechoslowakischen Fabriken in vielen Staaten der Dritten Welt zu finden. Die diplomatische Arbeit war ein zweiter Bestandteil des tschechoslowakischen Engagements in Afrika und Asien. Jede Kolonie, die die Unabhängigkeit ausrief, erkannte die Prager Staatsführung zeitnah an und nahm diplomatische Beziehungen auf. In den Staaten, in denen die Sowjetunion selbst nicht präsent war, übernahm die tschechoslowakische Vertretung häufig eine Vermittlerfunktion für Moskauer Belange. In Sambia beispielsweise hat die Regierung unter Kenneth Kaunda in den 1960er- Jahren engere Beziehungen zu einer der zwei Großmächte vermieden, da sie dezidiert eine blockfreie Außenpolitik verfolgte. Deshalb nutzte die Sowjetunion die tschechoslowakische Botschaft in Lusaka, um dennoch vor Ort aktiv zu sein und von dort aus die antikolonialen Bewegungen in Angola, Mosambik oder Simbabwe zu protegieren. Dies war möglich, weil die sambische Regierung der Fehl- einschätzung unterlag, dass die Tschechoslowakei eine autonome Außenpolitik verfolgen würde. 104 Als scheinbar außenpolitisch unabhängiger Staat unterhielt das Prager Außenministerium ebenfalls schen Führung mit dem innenpolitischen Vorgehen zusammenpasste, in dem Parteikader wie Rudolf Slanský teils antisemitischmotivierten Säuberungen zumOpfer fielen. Vgl. Zídek, Petr/Sieber, Karel: Československo a subsaharská Afrika v letech 1948–1989 [Die Tschechoslowakei und Subsahara-Afrika in den Jahren 1948–1989]. Praha 2007, 16–18. 100 Vgl. Vyhlídal, Milan: Zakladatelské období Military Technical College v Káhiře. Československá pomoc egyptské mu vojenskému školství v letech 1959–1968 [Gründerzeit des Military Technical College in Kairo. Tschechoslowaki sche Hilfe für die ägyptische Militärschule in den Jahren 1959–1968]. In: Pamět a dějiny (2012) H. 3, 33–44. 101 Vgl. Zídek/Sieber: Československo a subsaharská Afrika v letech 1948–1989, 12–18. 102 Vgl. Zídek, Petr: Československo a francouzská Afrika 1948–68, 101–120. 103 Sowohl Indonesien als auch Ägypten hatten bereits Militärmissionen in Prag, um nicht nur den traditionell gut laufenden Waffenhandel mit der Tschechoslowakei wiederzubeleben, sondern um über den Umweg Prag weitere mi litärische Kooperationen mit der Sowjetunion zu initiieren. Vgl. Boden, Ragna: Die Grenzen der Weltmacht. Sowjeti sche Indonesienpolitik von Stalin bis Brežnev. Stuttgart 2006, 207–209. 104 Vgl. Zídek/Sieber: Československo a subsaharská Afrika v letech 1948–1989, 229–232.
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