Leseprobe

»Globalisierung sozialistisch« 65 q in Südafrika, trotz des international geächteten Apartheitsregimes, ein Generalkonsulat. Als einzige diplomatische Vertretung eines Ostblockstaates in Südafrika übernahm das Generalkonsulat die Kommunikation mit den Kommunisten vor Ort. Zusätzlich war die Prager Regierung nicht bereit, die lukrativen wirtschaftlichen Beziehungen zu dem afrikanischen Staat völlig aufzugeben, auch wenn die eigene Parteipresse das Apartheitsregime regelmäßig stark angegriffen hat. 105 Zur tschechoslowakischen Politik gegenüber der Dritten Welt gehörte, als dritter Bestandteil, das Engagement im zivilen Sektor. Hierzu zählten sowohl die wissenschaftlich-technische Hilfe als auch die Bildungs- und Kulturbeziehungen. Von Beginn an war es eines der wichtigsten Instrumente, den Partnerstaaten Stipendien für ein Studium oder eine Ausbildung in der Tschechoslowakei anzu- bieten. Die aktivste Phase auf diesem Gebiet waren die 1960er-Jahre. 1960 studierten in Prag und anderen Städten bereits 285 Studierende aus afrikanischen nichtarabischen Staaten. Zu diesem Zeit- punkt hatten tschechische und slowakische Universitäten mehr junge Menschen aus diesen Regio- nen aufgenommen als die Sowjetunion, die in jenem Jahr nur 72 Stipendien ausgezahlt hatte. 1961 entschied die KPČ sogar, nach Moskauer Vorbild eine eigene Universität für die ausländischen Stu- dierenden in Prag aufzubauen. An dieser Hochschule, der Universität des 17. Novembers 106 , waren 1965 bereits 4 000 Studierende immatrikuliert, von denen 2 000 aus dem südlichen Afrika kamen. Jedoch sank die Zahl 1967 wieder, es wurden nur noch 500 verzeichnet. 1974 musste die Universität bereits wieder schließen, auch weil die ausländische Nachfrage für Stipendien für die Hochschule kontinuierlich zurückgegangen war. 107 Dennoch blieben die Stipendien bis Ende der 1980er-Jahre ein wichtiges Mittel in den bilateralen Beziehungen, das sowohl die tschechoslowakische Seite eingesetzt hat, als auch viele Partnerstaaten angefragt haben. Ab Mitte der 1960er-Jahre traten die Schwierigkeiten in den vielfältigen Beziehungen zuneh- mend hervor. Es wurde mühsamer, sich als den einzigen und uneigennützigen Anwalt für die Belange der Entwicklungsländer zu inszenieren. Dies lag zum einen daran, dass die USA in diesen Staaten wesentlich aktiver geworden ist als noch in den 1950ern. Zum anderen verfolgte China nach dem Bruch mit der Sowjetunion, 1961, eine unabhängige Außenpolitik in Afrika und Asien. Die chinesi- schen Kommunisten betonten in ihrem Vorgehen die gemeinsame Identität der außereuropäischen Völker und präsentierten das maoistische Modell als eine Form des Sozialismus, die besser auf die Verhältnisse in den Entwicklungsländern anwendbar ist als die der osteuropäischen Staaten. 108 Dies 105 Vgl. ebd . , 102–105. 106 Die Universität des 17. Novembers (Tschechisch: Universita 17. Listopadu) erinnerte mit ihrem Namen an den 17. November 1939. An diesem Tag hatten die Nationalsozialisten Proteste von Studierenden zum Anlass genommen, gegen die tschechischen Universitäten vorzugehen. Vgl. Muehlenbeck , Czechoslovakia in Afrika, 168–169. 107 Die Aufnahme von Studierenden führte zu Schwierigkeiten, mit denen die KPČ nicht gerechnet hatte. Die Studie­ renden und ihre Regierungen beschwerten sich wiederholt über rassistische Vorfälle, die die Ausländer erlebt hatten. Darüber hinaus war die tschechoslowakische Seite unzufrieden, dass weit weniger Kommunisten unter den Studie­ renden waren als erhofft. Denn eine große Anzahl nutzte die Studienplätze für ein Studium in Europa, ordnete sich jedoch nicht den Parteivorgaben unter. Vgl. Muehlenbeck, Czechoslovakia in Africa, 168–173. 108 Jeremy Friedman hebt in seiner 2015 erschienenen, sehr informativen Studie zur sinosowjetischen Konkurrenz in der Dritten Welt hervor, dass China in den 1960er-Jahren erhebliche Mittel dafür einsetzte, die Sowjetunion als eine weiße, industrialisierte Großmacht, die nur das eigene revolutionäre Interesse im Kontext der Auseinandersetzung mit demWesten verfolgen würde, darzustellen. Vgl. Friedman, Jeremy: Shadow ColdWar. The Sino Soviet Competition for the Third World. Chapel Hill 2015, 182–183.

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