Leseprobe

Beispiel 2: Die Kunstpräsentation 165 q Gründung von Nationalmuseen oder Kunstakademien, sondern auch die Förderung von als national verstandenen Kunststilen. 246 Die Anhänger der tschechischen Nationalbewegung förderten in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Idee einer national definierten Kunst. In dem wichtigsten Projekt nationaler Selbstbehauptung in Prag, im Nationaltheater, war demnach nur Platz für eine als national verstandene Malerei und Skulpturen. 247 Im Kontext nationaler Identitätsbildung entstand 1907 in Zagreb die kroatische Kunstakademie, die in der Folge maßgeblich zur Ausbildung einheimi- scher Künstler beitrug. 248 Nach 1945 hatten diese Bildungseinrichtungen die kommunistische Partei- herrschaft zu stützen, indem sie die kulturelle Identitätsbildung in den Gesellschaften unter den neuen politischen Vorzeichen förderten. In landesweiten Ausstellungen über eine als tschechoslo- wakisch oder jugoslawisch zusammengefasste Kunst ging es zudem darum, die kulturellen Gemein- samkeiten der vormals heterogenen Staatsgebiete hervorzuheben. Vor dem Hintergrund der kommunistischen Kulturpolitik entstanden im slowakischen und kro- atischen Landesteil Kunstmuseen und Hochschulen. Im kroatischen Fall erlebten zudem bereits vor- handene Einrichtungen eine staatliche Förderung. In dem Staatsverständnis der Tschechoslowakei und Jugoslawiens, die verschiedenen staatstragenden Nationen gleichzustellen, sollte die jeweils nationale Kunst gefördert werden. In diesem Kontext entstand 1954 in Zagreb die Städtische Gale- rie 249 für Zeitgenössische Kunst. In Bratislava eröffnete 1948 die Nationalgalerie 250 und ein Jahr spä- ter die Hochschule für bildende Künste. 251 Diese Einrichtungen übernahmen fortan die auswärtige Präsentation der einheimischen Kunst. ImWesentlichen taten sie dies mithilfe von Ausstellungen. Es waren häufig Bilderschauen, die sie für längere Tourneen durch unterschiedliche Gastländer konzipierten. Dabei stellten sie dem ausländi- schen Publikum in der Regel einen Kunststil oder eine kunsthistorische Epoche vor. Das war ein Vorgehen, das viele Staaten in diesen Jahrzehnten für ihre auswärtige Kunstpräsentation wählten. 252 Die erste große jugoslawische Auslandsausstellung fand 1950 in Paris statt. Der damalige Kultur- minister des Landes Milovan Djilas und der Schriftsteller Miroslav Krleža bereiteten die umfangreiche Schau zur Jugoslawischen mittelalterlichen Malerei und Plastik 253 vor, um den jungen Staat in der histo- rischen Kulturmetropole Europas und dadurch einer internationalen Kunstöffentlichkeit vorzustellen. Zwei Jahre nach dem Bruch mit der Sowjetunion sollte die Ausstellung dazu beitragen, die eigene 246 Zum theoretischen Hintergrund vgl. Saehrendt, Kunst im Kampf für das »Sozialistische Weltsystem«, 33–34. 247 Vgl. Marek, Michaela: Kunst und Identitätspolitik. Architektur und Bildkünste im Prozess der tschechischen Na­ tionsbildung. Köln 2004, 212–213. 248 Kroatisch: Akademija likovnih umjetnosti u Zagrebu. Vgl. die offizielle Internetpräsenz der Akademie. In: www. alu.unizg.hr/alu/cms/front_content.php?idcat=145&lang=1 (12.9.2017). 249 Sowohl in der Tschechoslowakei als auch in Jugoslawien war der Begriff Galerie eine verbreitete Bezeichnung für die staatlichen Kunstmuseen. 250 Slowakisch: Slovenská národná galéria. 251 Slowakisch: Vysoká škola výtvarných umení. Vgl. Vysoká škola výtvarných umení. In: www.vsvu.sk/o-nas/vsvu (12. 9. 2017). 252 Auch nach demEnde des Kalten Krieges und bis in die Gegenwart zählen Ausstellungen zu einemhäufig gewähl­ ten Mittel staatlicher Imagepolitik. Vgl. Saehrendt, Kunst im Kampf für das »Sozialistische Weltsystem«, 8. 253 Die Ausstellung trug den französischen Titel Lárt médiéval yougoslave . Sie war im Palais de Chaillot der französi­ schen Hauptstadt zu sehen. Vgl. Zimmermann, T., Jugoslawien als neuer Kontinent, 87.

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