Leseprobe
q 166 Aktionsräume in Afrika und Asien politische Unabhängigkeit mittels historischer und kultureller Rückbezüge zu untermauern. In dem Katalog zur Ausstellung datierte Miroslav Krleža sodann die Ursprünge des dritten Weges bis ins Mittelalter zurück. Die Kunst diente hierbei nicht nur dazu, eigene historische Traditionslinien aufzu- zeigen. Darüber hinaus sollten die Werke als Beispiele einer jugoslawischen »Hochkultur« – im Kon- trast zu den alten Balkanklischees im restlichen Europa von primitiven und gewalttätigen Südslawen – dienen. 254 Die erste große Ausstellung der sozialistischen Tschechoslowakei zur bildenden Kunst des Lan- des fand 1954 in Moskau statt. 255 In der Bilderschau verknüpften die Kuratoren Werke des sozialisti- schen Realismus mit nationalen künstlerischen Traditionen, indem sie den Bogen von der realisti- schen Malerei in Böhmen aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts bis hin zum sozialistischen Leitbild für die Kunst spannten. 256 In dieser Phase führte das staatliche Monopol über die kulturellen Auslandsbeziehungen dazu, dass sich der internationale Austausch tschechoslowakischer Künstler und Museen auf die Sowjetunion und andere Verbündete konzentrierte. Eine erste größere internationale Aufmerksamkeit erlangte die Kunst aus der Tschechoslowakei auf der Expo 1958 in Brüssel. 257 Der tschechoslowakische Pavillon und die dort ausgestellten Indus- trie- sowie Kunstprodukte erhielten die größte Zahl an Auszeichnungen unter allen Länderpräsenta- tionen. Die staatlichen Behörden hatten zuvor den Auftritt intensiv geplant und namhafte Künstler sowie Architekten dafür beauftragt. Ihre Aufgabe war es, eine ideale, harmonische Gesellschaft darzustellen, die gemeinsam am Aufbau einer sozialistischen Zukunft arbeitet. Hierfür wurden Expo- nate ausgewählt, die in ihrem Stil etwas vom sozialistischen Realismus abrückten und in Teilen an den modernen Gestaltungsstil aus der Ersten Republik anknüpften. Damit konnte unterstrichen werden, dass die tschechoslowakische Kunst anschlussfähig an internationale Tendenzen war. 258 An diese Präsentation schlossen weitere Ausstellungen in Staaten außerhalb des Ostblockes an. In man- chen Feldern, wie in der Glaskunst und in der audiovisuellen Darstellung, ging dies einher mit kom- merziellen Aufträgen für die mehrheitlich tschechischen Künstler und Produktionsstätten. Zu diesem 254 Vgl. Zimmermann, T., Jugoslawien als neuer Kontinent, 86–87. 255 Das tschechoslowakische Außenministerium vermittelte die Bilderschau anschließend an weitere Staaten in Osteuropa und später nach China. Das war die erste tschechoslowakische Kunstschau in der Volksrepublik China. Martina Pachmanová verweist in ihrer Studie darauf, dass die tschechoslowakische Parteiführung die Auslandsschau als Zivilisierungsmission gegenüber dem asiatischen Land verstanden hat. Dem Partnerland sollte das Bild einer fort schrittlichen europäischen Gesellschaft gezeigt werden und der beginnende Kunstaustausch zu einer Zivilisierung Chinas beitragen. Vgl. Pachmanová, Inter-Nacionálie, 285. 256 Insbesondere Werke böhmischer Maler dienten als Beweis, dass der sozialistische Realismus keine importierte Kunstdoktrin war. Vielmehr wollten die kommunistischen Kulturpolitiker den realistischen Malstil als einen natürli chen Ausdruck des slawischen Geistes verstanden wissen, der tief in der eigenen Kultur verwurzelt war. Vgl. Pachma nová, Inter-Nacionálie, 285–290. 257 Die Weltausstellungen entwickelten sich im Kontext des Kalten Krieges zu wichtigen kulturellen Kontakträu men zwischen Ost und West. Die Expo in Brüssel bot 1958 als die erste Weltausstellung die Möglichkeit des Austau sches. Diese und die anschließenden Weltausstellungen nutzten eine Vielzahl von Staaten zur nationalen Imagepfle ge. Vgl. Calic, Südosteuropa, 533. 258 Vgl. Miljački , Ana: The Optimum Imperative: Czech Architecture for the Socialist Lifestyle, 1938–68. New York 2017, 147–181. Vgl. auch: Kramerová, Daniela: Bruselský sen: Československá účast na Světové výstavě Expo 58 v Bruse lu [Brüsseler Traum. Der tschechoslowakische Beitrag an der Weltausstellung Expo 58 in Brüssel] (Ausstellungskata log). Praha 2008.
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