Leseprobe

Beispiel 2: Die Kunstpräsentation 167 q Zweck baute 1964 das Kulturministerium in Prag, damals noch ein Bundesministerium, eine eigene Kunstagentur auf. Als Art Zentrum sollte sie Bilder, Grafiken und Statuen einheimischer Künstler auf dem internationalen Kunstmarkt positionieren und für staatliche Deviseneinnahmen sorgen. Einen Namen machte sich die Agentur im Ausland mit audiovisueller Kunst, Szenografie und spezielleren Ausstellungsformaten, die insbesondere auf den späteren Weltausstellungen, beispielsweise 1967 in Montreal, internationale Erfolge erzielten. 259 Neben der Wiederbelebung des Kunstaustausches mit westlichen Staaten kam es auch zu ersten Kontakten in postkoloniale Staaten ab Mitte der 1950er-Jahre. 260 Diese Entwicklungen spiegelten sich in den Programmen der Hauptstadtgalerien wider. Im Sommer 1955 eröffnete die Slowakische Nati- onalgalerie erstmalig eine Ausstellung zur Chinesischen Kunst , ein Jahr später war die Bildende Kunst Mexikos Thema einer zweimonatigen Ausstellung in dem Museum in Bratislava. 261 Diese weltweite Imagepflege mittels Kunst forcierte die tschechoslowakische Staatsführung, indem sie in den 1960ern Kulturzentren außerhalb Europas aufbaute. Das erste dieser Art eröffnete 1960 in Kairo, da Ägypten zu diesem Zeitpunkt bereits zu den wichtigsten Verbündeten der sozialis- tischen Staaten außerhalb Europas zählte. Dabei entstanden feste Repräsentationsorte, an denen vorrangig Ausstellungen zur angewandten Kunst und Design zu sehen waren. Das federführende Außenministerium erhoffte sich dadurch nicht nur, eine dauerhafte Imagearbeit im eigenen Sinne in den Staaten sicherzustellen. Ein weiterer Faktor waren die Handelsinteressen der Prager Regierung, die hoffte, in Zukunft Exponate stärker auf kommerzieller Basis in diese Staaten exportieren zu können. Schließlich sollte auch die Architektur der Gebäude zu einem positiven Außenbild des sozi- alistischen Staates beitragen. In Kairo ließ die Staatsführung aus diesem Grund ein repräsentatives Haus im modernen Baustil errichten, das sich durch klare und schlichte Formen auszeichnete. Der Architekt Zdenĕk Pokorný hatte bereits zuvor die tschechoslowakische Botschaft in Moskau und den Pavillon seines Landes entworfen, den die Expo-Jury 1958 in Brüssel ausgezeichnet hatte. 262 Die Tschechoslowakei präsentierte sich demnach nicht nur als traditionsreiches Land, sondern fügte diesem Image immer stärker das Bild einer modernen sozialistischen Gesellschaft, versinnbildlicht durch moderne Kunst, hinzu. Aus diesem Grund ließ die kommunistische Kulturpolitik in den 1960ern eine deutlich größere Pluralität in den Kunstströmungen zu, die im Ausland zunehmend für staatliche Werbekampagnen eingesetzt wurden. 263 259 Vgl. Kramerová, Daniela: »My prodáváme sny«. Šáhova zakázka pro české umĕlce v sedmdesátých letech 20. Sto­ leti [Mein verkaufter Traum. Die Bestellung des Schahs für die tschechischen Kunst in den 1970er-Jahren des 20. Jh.]. In: Umĕní LXI (2013) H. 4, 341–355, hier 341–348. 260 Vgl. B I., B II. 1. 261 Vgl. Bajcurová, 60 rokov otvorené, 187. 262 Vgl. Pachmanová, Inter-Nacionálie, 285–292. 263 Die größer werdenden Spielräume für Künstler und Künstlerverbände zeigten sich auch an neuen Themen in den Auslandsausstellungen. 1967 finanzierten die tschechoslowakischen Behörden das erste Mal eine Bilderschau über Konstruktive Tendenzen aus der Tschechoslowakei , die in Frankfurt a.M. zu sehen war. Im Allgemeinen rezipierte das Fachpublikum in der Tschechoslowakei ab Mitte der 1960er-Jahre stärker die internationalen Kunstdebatten, die unter anderem in einheimischen Zeitschriften wie Vytvarné umĕní vorgestellt und damit stärker verbreitet wurden. Vgl. Bydžovská, Lenka: Konstruktive Tendenzen aus der Tschechoslowakei. In: Kultur als Vehikel und als Opponent poli­ tischer Absichten. Kulturkontakte zwischen Deutschen, Tschechen und Slowaken von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis

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