Leseprobe
q 230 Fazit Das sollte nicht nur den sozialistischen Gesamtstaat insgesamt positiv darstellen, sondern auch die besonderen Errungenschaften der Teilrepubliken. Von der Slowakei entstand dabei das Bild, das Land hätte den Sprung von der Rückständigkeit in die sozialistische Moderne geschafft. Deswegen setzten die Akteure aus Bratislava nicht nur auf die Volkskunst, sondern stellten auch moderne Werke und Künstler vor. Das slowakische Kulturministerium präsentierte in afrikanischen und asiatischen Staaten, wesent- lich stärker als die kroatischen Akteure, eine als national verstandene Kultur. Dafür waren zwei Aspekte ausschlaggebend. Zum einen übernahmen vor und nach 1969 die slowakischen Akteure die Präsentation des »slowakischen« Teils des Gesamtstaates, selten aber gesamtstaatliche Aufgaben. Im tschechoslowakischen Fall bestimmten weit mehr das tschechische Kulturministerium oder das föde- rale Außenministerium in Prag, wie der Staat kulturell nach außen zu präsentieren sei. Die asymme- trische Aufteilung in der tschechoslowakischen Außendarstellung bestand folglich weiter und konnte mit der Föderalisierung nicht aufgelöst werden. Zum anderen deutet die nationale Außendarstellung aus Bratislava darauf hin, dass das Nationale nicht nur im innerstaatlichen, sondern auch im inter- nationalen Kontext stärker in den Vordergrund gerückt wurde. Während zu Beginn der gemeinsamen sozialistischen Staatlichkeit »tschechische« Inhalte dominierten, schien bei den slowakischen Akteu- ren in den 1970ern ein Verständnis vorgeherrscht zu haben, sich in eine gleichwertige Position zum tschechischen Landesteil bringen zu wollen. Dass dieser Prozess auch in der auswärtigen Kulturpolitik Spuren hinterlassen hat, ist mit dieser Analyse das erste Mal umfangreich belegt. Die Ergebnisse zu den kroatischen Kunst- und Musikprojekten erfordern eine anderslautende Interpretation als für die slowakische Vergleichseinheit. Die Akteure aus Zagreb haben in erster Linie Jugoslawien im Ganzen propagiert. Sie übernahmen bei der Kunstarbeit im Ausland wesentlich stär- ker Aufgaben, die einen gesamtstaatlichen Bezug hatten. Beispielsweise hatte die Zagreber Galerie für Zeitgenössische Kunst eine zentrale Rolle in der Darstellung von Gegenwartskunst aus Jugosla- wien im Ausland erarbeitet und verantwortete zahlreiche Ausstellungen, die Kunst aus allen Teilen des Landes vorgestellt haben. Die kroatische Teilrepublik hat sich zwar auch mit einer als national definierten Kultur in Entwicklungsländern positioniert, aber nicht mit dem Verständnis, etwas nach- holen zu müssen. Vielmehr wurde Zagreb als eines der kulturellen Zentren innerhalb Jugoslawiens inszeniert. Das slowakische und kroatische Engagement war demzufolge, und das bestätigt die zweite zentrale Annahme in der Studie, eine Imagepolitik für die jeweils eigene Teilrepublik – aller- dings mit sehr unterschiedlichen Schwerpunkten. Während ein Großteil der slowakischen Außen- präsentation der Vorstellung des eigenen Landesteils diente, positionierte sich die kroatische Teil- republik deutlich mit gesamtjugoslawischen Programmen. Die dritte These aus der Einleitung, dass die kroatische Teilrepublik im globalen Süden weitaus aktiver gewesen sei als die slowakische Republik, ist nicht zu belegen. Das Republiksekretariat für Kultur und Bildung, die Zagreber Kommission für Kulturbeziehungen und die Kultureinrichtungen waren auf diesem Feld wesentlich weniger aktiv als zunächst vermutet. Angenommen wurde, dass aufgrund der guten politischen Beziehungen Jugoslawiens zu vielen nichtpaktgebundenen Ländern auch die Kultur- und Musikbeziehungen Kroatiens ähnlich intensiv ausgefallen sind. Vielmehr haben die Ergebnisse der Quellenanalyse deutlich gemacht, dass die Akteure aus Bratislava trotz des Neu- startes in den 1970ern in Teilen stärker in ihr Auftreten in Afrika und Asien investierten und damit eine weit größere Präsenz als die kroatische Seite aufbauen konnten. Dies ist insbesondere in der
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