Leseprobe
Fazit 231 q Musikdiplomatie festzustellen, das Engagement in der Kunst ist quantitativ auf ähnlichem Niveau einzuordnen. Die Gründe für dieses Ergebnis sind sowohl auf der Ebene der Teilrepubliken als auch im Kontext der Außenpolitik der Gesamtstaaten gegenüber den Ländern des globalen Südens auszumachen. Die Slowakische Sozialistische Republik, die amwenigsten bekannt und international vernetzt war, setzte am stärksten Kultur als Mittel für die eigene internationale Positionierung ein. Die slowakischen Akteure nutzten folglich die nach der Föderalisierung hinzugewonnenen Handlungsspielräume, um eine eigene Imagepolitik aufzubauen. Das führte dazu, dass die gesamtstaatliche Außendarstellung in den 1970ern deutlich slowakischer wurde als zuvor. Die asymmetrische Verteilung von Aufgaben und Themen in der Kulturpolitik der Tschechoslowakei konnte dadurch korrigiert werden. Zwar domi- nierten weiterhin tschechische Themen und gesamtstaatliche Institutionen, aber der Beitrag aus Bratislava gewann merklich an Stellenwert. Zu bedenken ist, dass die Entwicklungsländer vielleicht gerade weil sie in der Strategie der Pra- ger Behörden und Parteiführung an dritter Stelle nach den sozialistischen Staaten und nach den Beziehungen zum westlichen Lager standen für die slowakische Seite zu Aktionsräumen geworden sind. In den Entwicklungsländern konnte das erste Mal überhaupt eine konsistente und langfristige slowakische Außendarstellung aufgebaut werden. Das Ergebnis der Studie unterstreicht diese Inter- pretation, denn die Entsendungen aus der Tschechoslowakei in afrikanische und asiatische Staaten ging insgesamt ab den frühen 1970ern bis Mitte der 1980er-Jahre zurück, der slowakische Anteil daran stieg jedoch weiter an. Die Sozialistische Republik Kroatien setzte den Handlungsspielraum in der auswärtigen Kultur- politik, der nach der Dezentralisierung auch für sie größer geworden war, nicht ein, um eine dezidiert eigene Kulturpolitik zu verfolgen. Die Analyse hat gezeigt, dass Kroatien, insbesondere bei langfris- tigen Projekten, weniger präsent war als die slowakische Seite und in der Regel stärker die gesamt- jugoslawischen Projekte mitgetragen hat, als explizit eigene Inhalte zu verfolgen. Es schien an dieser Stelle in Zagreb kein hervorgehobenes Interesse gegeben zu haben, über die gemeinsamen Projekte hinaus das eigene Profil in der Dritten Welt zu stärken. Die Gründe hierfür sind vielfältig und können nicht alle mit den hier vorliegenden Quellen belegt werden. Im Allgemeinen war die Kulturpolitik nicht zweitrangig für die kroatische Politik. Die Schwerpunkte lagen allerdings deutlich auf den europäischen Nachbarländern. Im Bereich der Musik konzentrierte sich beispielsweise die Konzert- direktion Zagreb in ihren Projekten auf westliche und andere sozialistische Staaten in Europa. Länder des globalen Südens kamen nur in Einzelfällen in den Plänen vor, obwohl sie in der gesamtstaatlichen Außenpolitik der frühen 1970er-Jahre große Aufmerksamkeit genossen. Bezüglich der Zielländer schien es den kroatischen Akteuren möglich, die Kulturautonomie für eigene Interessen zu nutzen. Die Staaten, mit denen enge kulturelle Kontakte gepflegt wurden, waren unter anderem die nicht- sozialistischen Nachbarstaaten Italien und Österreich. Diese Beziehungen waren nicht nur mit finan- ziellen Vorteilen verbunden, da die andere Seite Kosten übernehmen konnte und im Gegenzug ihre berühmten Ensembles in kroatischen Städten auftreten ließ. Darüber hinaus war es ein großes Anlie- gen der kroatischen Kulturpolitik, den Kontakt zu eigenen Volksgruppen in diesen Ländern aufrecht- zuerhalten. Dem ist hinzuzufügen, dass die kroatischen Akteure selbst auf das positive Image des Gesamt- staates in der Dritten Welt setzten und dieses weiter propagiert haben, da es zum eigenen Vorteil
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