Leseprobe
dem julianischen um zehn Tage voraus war. Nach polnischen und litauischen Quellen fand die Unterzeichnung am 11. Dezember statt, und in Kraft treten sollte der Vertrag am 4. Januar, also im Jahr 1619. 1 Die Rivalität des Großfürstentums Litauen und später (nach der 1569 in Lublin geschlossenen Union mit der polnischen Krone) der Republik Polen-Litauen mit demMoskauer Staat um die Domi- nanz in Osteuropa hatte bereits in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts begonnen. Nachdem Großfürst Iwan III. dem Moskauer Staat andere von Rurikiden regierte Fürstentümer (Jaroslawl, Rostow, Susdal, Twer) einverleibt, Velikij Novgorod seiner Eigenständigkeit beraubt und die Abhän- gigkeit von der Goldenen Horde endgültig abgeworfen hatte, setzte er die Politik der »Zusammen- führung russischer Gebiete« fort. Das bedeutete eine Expansion Richtung Westen und musste zu einer Konfrontation mit dem Großfürstentum Litauen führen, das sich noch im 14. Jahrhundert große Landstriche mit orthodoxer Bevölkerung einverleibt hatte. Als Folge einer Reihe kriegerischer Aus- einandersetzungen in den Jahren 1492 bis 1503 hatte Litauen ein Viertel seines Territoriums verloren, darunter den Großteil der Gebiete am linken Dnepr-Ufer. Im Jahr 1514 nahmen die Moskauer Truppen Smolensk ein – den »Schlüssel zu Moskau«, wie es wegen seiner strategischen Lage genannt wurde. Die mitten im sog. Smolensker Tor – einer 60 Kilometer breiten Landbrücke zwischen den Flüssen Dnepr und Düna – gelegene Festung riegelte den wichtigsten West-Ost-Weg ab, der ins Innere des Großfürstentums Litauen wie auch des Moskauer Staates führte. Der Jagiellonen-Staat war trotz spektakulärer militärischer Siege (Schlacht bei Orscha 1514) und der erfolgreichen lokalen Feldzüge (sog. Staroduber Krieg 1534–1537) nicht imstande, in den folgenden Jahrzehnten bei Auseinander- setzungen mit dem östlichen Nachbarn die Initiative an sich zu reißen. 2 Im Jahr 1558 eröffnete der Moskauer Zar Iwan IV. »der Schreckliche« (russ. Ivan IV Groznyj) nach der Eroberung der Khanate Kasan und Astrachan eine neue Front gegen den westlichen Nachbarn. Diesmal wurde Livland der Kriegsschauplatz. Die Jagiellonen-Monarchie war der Hauptgegner Russ- lands im Kampf um die Gebiete des Schwertbrüderordens (pol. Zakon Kawalerów Mieczowych), deren Eroberung demMoskauer Staat den Zugang zur Ostsee und die Aufnahme von Handelsbezie- hungen mit dem Westen sichern würde. Als ein wichtiger Erfolg des Zaren muss die Einnahme von Polozk im Jahr 1563 angesehen werden, denn der Weg nach Wilna, dem Herzen Litauens, stand jetzt seinen Truppen offen, da die Stadt nach Norden hin völlig ungeschützt blieb. In den folgenden Jahren gelang es Iwan IV., allmählich das gesamte Livland (jedoch ohne Riga) einzunehmen und den Rivalen entschieden in die Defensive zu drängen. 3 1 Majewski, Andrzej Adam: Datacja rozejmu dywilińskiego [Die Datierung des Waffenstillstands von Deulino]. In: Przegląd Historyczny 92/4 (2001), 447–449. 2 Kolankowski, Ludwik: Polska Jagiellonów [Jagiellonisches Polen]. Olsztyn 1991, 93–109, 123–126, 134–136, 141–146, 163–165; Łowmiański, Henryk: Polityka Jagiellonów [Die Politik der Jagiellonen]. Poznań 1999, 234–246, 401–437; Nagielski, Mirosław: Rywalizacja Rzeczypospolitej z Państwem Moskiewskim o dominację w Europie Środkowo- Wschodniej w XVI–XVII w. [Die Rivalität Polen-Litauens mit dem Moskauer Staat um die Dominanz in Ostmittel europa im 16.–17. Jh.]. In: Sensus Historiae 11/2 (2013), 87–94; Natanson Leski, Jan: Granica moskiewska w epoce jagiellońskiej [Die moskauische Grenze in der Jagiellonen-Epoche]. Oświęcim 2014, 79–153. 3 Kolankowski, Polska [Polen] (wie Anm. 2), 198–201, 214–218; Łowmiański, Polityka [Politik] (wie Anm. 2), 559–580; Natanson Leski, Granica [Grenze] (wie Anm. 2), 169–202; Nagielski, Rywalizacja [Die Rivalität] (wie Anm. 2), 94–97.
Made with FlippingBook
RkJQdWJsaXNoZXIy MTMyNjA1