Leseprobe

Johann Caspar Hindersin (1667–1738) und seine Rolle als Hausarchitekt der Familie Dohna in Ostpreußen 37 q Am 25. Februar 1728, dem Todestag des Feldmarschalls, Burggrafen und Grafen Alexander zu Dohna-Schlobit- ten, blickt Johann Caspar Hindersin auf eine 24-jährige umfangreiche Tätigkeit für die Bauprojekte der Familie Dohna in Preußen zurück. Der eher unbekannte Hinder- sin, »kein hervorstechender Architekt, aber ein [...] kennt- nisreicher, praktischer Baufachmann« , 1 übernahm– einem königlichen Hofarchitekten vergleichbar – im frühen 18. Jahrhundert nahezu alle Bauvorhaben dieser Familie. Ausgehend von der Persönlichkeit Hindersins be- fasst sich der Beitrag nicht mit einer monografischen Übersicht über die einzelnen Bauwerke – die vielerorts umfassend geleistet wurde, etwa zuletzt durch das am Herder-Institut durchgeführte Verbundprojekt »Virtu- elle Rekonstruktionen in transnationalen Forschungs- umgebungen – Das Portal: Schlösser und Parkanlagen im ehemaligen Ostpreußen« 2 –, sondern mit den Rah- menbedingungen, die den Aufstieg eines Baumeisters aus der zweiten Reihe in den Dienst einer der einfluss- reichsten Familien Ostpreußens ermöglichten. Es stellt sich die Frage, ob diese Konstellation allein durch die aktuelle politische und wirtschaftliche Lage an der süd- lichen Ostseeküste am Ende der Nordischen Kriege be- gründet liegt oder ob auch übergeordnete Konstellatio- nen Auswirkungen hatten. Hier fällt die Rolle Hinder- sins als Hausarchitekt der Dohnas auf, die jener Carl Gottlob Horns (1734–1807) für den Parvenü Heinrich Carl Schimmelmann (1724–1782) in Holstein imFolgen- den gegenübergestellt werden soll. Biografie Hindersins Im Jahre 1677 wurde Hindersin als Sohn des Stadtrichters in Soldin (Myślibórz) in der Neumark geboren und er- schien nach unbekannten Lehrjahren erstmals 1701 in Reichertswalde (Markowo) imKreis Mohrungen (Morąg) in Ostpreußen, wo er offensichtlich in den Dienst von Christoph Friedrich Burggraf zu Dohna, Herrn von Lauck und Reichertswalde, trat. 3 Über Hindersins Ausbildung ist nichts bekannt. Weder lässt sich nachweisen, an wel- chen Orten er sich nach seiner Kindheit in der Neumark aufgehalten hat, ob und wo er studiert haben könnte, noch welche Veranlassung ihn nach Ostpreußen führte, wohin er schließlich als Baumeister und Architekt im- migrierte. 4 Von 1701 bis 1704 baute er das Herrenhaus in Reichertswalde zu einem U-förmigen Putzbau um. 5 Im gleichen Zeitraum wirkte er ferner wohl am Bau des Schlosses Schlodien (Gładysze) für Christoph zu Dohna- Schlodien mit. 6 Im Anschluss daran übernahm Hinder- sin 1704 die Leitung des Großprojekts zum barocken Umbau des Schlosses Schlobitten (Słobity) zur repräsen- tativen Residenz, in die Alexander zu Dohna-Schlobitten nach seinen Jahren am preußischen Hof zurückkehrte. 7 In seiner frühen Schaffenszeit, die mit der Etablierung Preußens als Königreich unter Friedrich I. einherging, führte Hindersin für die Mitglieder der einflussreichen Familie Dohna repräsentative Bauten – Herrenhäuser und Schlösser – nach bereits bestehenden Plänen der amHof bedeutenden französischen Architekten Jean de Bodt (1670–1745) und Jean Baptiste Broebes (1660–nach 1720/1733) aus. Eigene Entwürfe konnte er aller Wahr- scheinlichkeit nach nur in kleineren Details der Haupt- bauten, deren Innenausstattung sowie in zugehörigen Wirtschaftsgebäuden verwirklichen. Nachdem er na- hezu für alle Bauprojekte der Familie zu Dohna heran- gezogen wurde, übernahm er 1717 zusätzlich einen Pos- ten im Staatsdienst und wurde zunächst Landmesser und sieben Jahre später Landbaumeister im Oberländi- schen Kreis. 8 Während dieser Tätigkeit war er vor allem für städtebauliche Vorhaben, Wasser- und Brückenbau- ten sowie Vermessungen zuständig. 9 Nach demTod Ale- xander Dohnas 1728 zog er auf das Gut Mosens (Mazanki) bei Saalfeld (Zalewo), Kreis Mohrungen. Das letzte be- kannte Bauwerk vor seinemTod 1738 ist das Schlösschen des Gutsvorwerks Davids (Dawidy) bei Schlobitten, das noch von Alexander initiiert worden war. 10 Bauwerke Hindersins Die Familie zu Dohna besaß bereits zahlreiche Herren- häuser aus dem 16. und frühen 17. Jahrhundert in Rei- chertswalde, Mohrungen, Carwinden (Karwiny), Schlo- bitten, Schlodien und in Königsberg (Kaliningrad), die ab 1700 ungefähr gleichzeitig umgebaut, wiederaufge- baut und erweitert wurden. 11 Archivalisch belegen lassen sich Tätigkeiten Johann Caspar Hindersins für Reicherts- walde, Schlobitten, Carwinden, Mohrungen und Königs- berg. Für die anderen Großprojekte ist seine Beteiligung aufgrund der Stellung in der Familie Dohna und anhand der überlieferten Entwurfszeichnungen anzunehmen. 12 Auffällig ist, dass er selten eigenständige Entwürfe vor- legte, sondern vorhandene übernahm oder behutsam abänderte sowie Korrekturen seiner Vorschläge von an- deren Architekten annahm. In diesem Zusammenhang wird die vorbildliche Rolle ausgewiesener Architekten für Hindersin wie Jean Baptiste Broebes, Jean de Bodt und JoachimLudwig Schultheiß von Unfriedt (1678–1753) deutlich und zeigt sich im Folgenden.

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