Leseprobe
q 38 Julia Trinkert Reichertswalde Das von Wasser und Mauern umgebene Haus in Rei- chertswalde, seit 1561 in Familienbesitz, sollte für Chris- toph Friedrich (1652–1734) und seine bisher in Samrodt residierende zwölfköpfige Familie zumneuen Stammsitz des Zweiges Dohna-Lauck ausgebaut und in ein barockes Schloss umgewandelt werden. 13 Für dieses Vorhaben wurde 1701 Johann Caspar Hindersin verpflichtet, der den vorhandenen Bau um ein Mezzaningeschoss erhöhte so wie 2 + 6 + 2 Achsen anlegte, ohne die Mitte zu betonen. Auf der Gartenseite wurden vorgezogene Seitenrisalite ergänzt. 14 Abschließend wurde die neue Fassade mit ei nem hellroten Rauputz und weißer Vertikalgliederung gestaltet. 15 Der Bau war 1704 fertiggestellt (Abb. 1). 16 Im Inneren wurden eine repräsentative Eichentreppe sowie eine standesgemäße Schlosskapelle eingebaut. 17 Zur Aus- stattung gehörten nebenMobiliar und der Bibliothek aus Lauck auch zwanzig Wirkteppiche aus dem 17. Jahrhun- dert, die die zweite Gemahlin in die Ehe brachte. 18 Heute befindet sich an der Stelle des Schlosses ein Neubau. Das unvermittelte AuftretenHindersins etwa 400 Ki lometer östlich seines Geburtsortes steht vermutlich in einem Zusammenhang mit dem Bauherrn Christoph Friedrich von Reichertswalde, der dort unter der Vor- mundschaft seines Onkels Friedrich d. Ä. aufgewachsen war. DessenÜberschuldung wirkte sich auf die Karriere- chancen Christoph Friedrichs aus, da dieser – imGegen- satz zu seinen Vettern – keinen gewünschten Posten im Staatsdienst erhielt. 19 In der Folge inszenierte er sich überdeutlich als Primogenitus des Hauses Dohna und stellte dabei seinen hochadligen Rang vor seine von der finanziellen Situation überschattete prekäre gesellschaft- liche Lage. 20 Den obligatorischen Militärdienst in den Niederlanden verließ er für die Heirat mit Johanna Elisa- beth Gräfin zur Lippe und warb nach ihremTod auf kost- spieligen Reisen imWesten um eine neue, in seinen Au gen standesgemäße Gemahlin, die er in Elisabeth Chris- tine Prinzessin von der Pfalz-Zweibrücken 1692 zu finden meinte. 21 Ihren Rang betonte er in seinen Briefen durch Formulierungen wie »madame la princesse, ma femme« . 22 Christoph Friedrichs Finanzen verbesserten sich durch eine Umstrukturierung der Gutsherrschaft und den Verkauf von Samrodt (Samdbród). 23 Zur Gestaltung seiner Residenz Reichertswalde orientierte er sich an westlichen Herrschaftsmodellen, etwa einer Reichs- grafschaft. 24 In dieser Situation trafen Hindersin und Christoph Friedrich aufeinander – ein praxisorientier- ter junger Baumeister und ein ambitionierter, finanziell geschwächter Adliger, mit dem Wunsch, eine Residenz auf demalten Familienbesitz zu errichten. Da Christoph Friedrich im Unterschied zu seinen Vettern Alexander und Christoph keinen Zugang zum Berliner Hof hatte, konnte er offenbar auch nicht auf dortige Künstler und Architekten zurückgreifen und musste diesen Weg ge- schickt umgehen, indemer einen Baumeister verpflich- tete, der die üblichen Bauformen des jungen preußi- schen Königshofes realisieren konnte. Schlobitten 25 Ein ähnliches Vorhaben verfolgte Alexander zu Dohna- Schlobitten, der das zwischen 1622 und 1624 errichtete und 1627 umeinen Bibliotheksbau ergänzte Schloss sei- nes Großonkels Abraham Dohna (1579–1631) 1688 in einem verwahrlosten Zustand erbte. 26 Im Gegensatz zu Christoph Friedrich war Alexander bestens am Berliner Hof vernetzt und beauftragte Jean Baptiste Broebes mit Abb. 1 Porträt Friedrich Ludwigs Burggraf zu Dohna (1697–1766), Detail mit der Ansicht des barocken Gartenparterres und des Schlosses Reichertswalde. C. F. Wessel, 1763. Öl auf Leinwand, H. 135 cm, B. 103,7 cm. Bis 1945 im Schloss Reichertswalde, heute im Museum Mohrungen (Morąg), Inv.-Nr. MNO 222 OMO (ex: Foelsch 2014, 354)
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