Leseprobe

Zwischen Kalkül und Zufall 233 q den kommenden Jahren immer stärker und bald aus­ schließlich auf dieMedaillenkunst zu verlegen, trotz der daraus resultierenden Konflikte mit Kitzkatz. Der Kur­ fürst nahm die Ausweitung von Dadlers Tätigkeit billi­ gend in Kauf, entweder aus Wertschätzung für dessen Arbeiten oder aber aufgrund des hohen Bedarfs am Dresdner Hof an derartigen Werken. Dieser stieg deut­ lich im zweiten Dezennium des 17. Jahrhundert an, als Sachsen eine immer aktivere Rolle im Machtgerangel des Dreißigjährigen Krieges spielte. Wie eine Chronik dieser bewegten Zeit dokumentieren Dadlers Dresdner Medaillenaufträge die zahlreichen Initiativen und Ak­ tivitäten des damals reichspolitisch zunehmend enga­ gierten Kurfürsten im sich zuspitzenden militärischen Konflikt. Als Repräsentationsobjekte und effektive Pro­ pagandaträger verraten die Medaillen heute als histori­ sche Quellen viel über die Absichten und den politi­ schen Gestaltungswillen Johann Georgs I. 8 Innerhalb der höfischen Kultur stiegen Medaillen und Gedenkmünzen aufgrund ihrer Exklusivität zum festen Bestandteil der Repräsentationspraxis und wich­ tigenKommunikationsmittel auf. 9 Klein und handlich im Transport, waren sie anders als Druckgrafik für Beschä­ digungen unempfindlich und besaßen darüber hinaus einen materiellen Wert, was sie als diplomatische Ge­ schenke oder begehrte Sammelobjekte besonders attrak­ tiv machte. Zunehmend erkannten dies auch Städte und das wohlhabende Bürgertum. Dies kurbelte die Medail­ lenproduktion an, stellte aber Höfe vor die Herausforde­ rung, ihre Exklusivität mit neuen visuellen Mitteln zu behaupten. Steigende Nachfrage einerseits und der Man­ gel an gut ausgebildeten und talentiertenMedailleuren, 10 die imstande waren, den Geschmack der höchsten Kreise zu bedienen, andererseits machten diesen Handwerks­ zweig sehr lukrativ und versprachen auch längerfristig gutes Auskommen. So verlegte sich Dadler im Laufe sei­ ner Dresdner Zeit gänzlich auf dieses Medium und ent­ wickelte darin nach und nach eine hohe Spezialisierung. An seinen Werken ist ablesbar, wie schnell sich der Künstler von den Dresdner Vorbildern stilistisch löste und sich zunächst an der überregional geschätzten Nürnberger Medaillentradition orientierte, um schließ­ lich in Anlehnung daran eigene Ideen und Verfahren zu entwickeln. 11 Er wurde immer versierter in der Herstel­ lung von Gedankmedaillen und beherrschte immer ge­ konnter die Spezifik sowohl des Materials als auch der runden bzw. ovalen Form. Die Besonderheit des Medi­ ums verlangte, in einer Verbindung aus bildlicher Dar­ stellung mit entsprechendem Dekor und Aufschriften sowie in einem Zusammenspiel von zwei Schauseiten komplexe Inhalte zu verwirklichen. Üblich war dabei die Arbeit nach Vorlagen, die der Auftraggeber bereit­ stellte. Doch auch enge Richtlinien beließen für die Um­ setzung gewisse Spielräume, die Dadler auf gekonnte Weise zu nutzenwusste. Dieses Vorgehen zeichnete sei­ ne Arbeitsweise auch später aus und trug zu seiner in­ ternationalen Anerkennung bei: Ohne sklavisch die Vor­ bilder abzukupfern, vermochte er durch kleine Abände­ rungen ansprechende Lösungen zu finden, die das For­ male und Inhaltliche in Einklang brachten. Zwei Bei­ spiele mögen dies illustrieren. Im Jahre 1631 setzte Dadler Gustav II. Adolf (* 1594, 1611–1632) zum ersten Mal in einer Bildnismedaille als entschlossen blickenden Feldherren eindrücklich in Szene (Taf. XXII). 12 Als Vorbild diente ihm dabei die Me­ daille von Ruprecht Niklas Kitzkatz auf Herzog Johann Casimir von Sachsen-Coburg (1630). Eine Gegenüber­ stellung beider Werke offenbart Dadlers künstlerische Qualitäten: die Beherrschung der Bildfläche, feine in­ haltliche Abstufung der Relieftiefe, die das Gesicht des Porträtierten aus dem Rollwerkrahmen hervortreten lässt, und schließlich die Ausdrucksstärke des abgebil­ deten Antlitzes. Auf der Rückseite erscheint der Schwe­ denkönig als miles christianus in antikisierender Rüs­ tung, ein Sieger im göttlichen Auftrag, der das Böse mit den Füßen niedertritt. Noch deutlicher wird das Vorgehen beider Medail­ leure im Vergleich ihrer Medaillen auf den Tod des schwedischen Königs 1632. 13 BeideWerke entstanden im Auftrag des sächsischen Kurfürsten und nach dersel­ ben Vorlage, einem Emblem von Gabriel Rollenhagen (Taf. XXIII, XXIV). 14 Doch während Kitzkatz das Vorbild weitgehend getreu ins Metall übertrug, ließ Dadler ei­ nige Details weg, so den Wolkenkranz oder die Land­ schaftsdarstellung im Hintergrund, fügte stattdessen neue Elemente hinzu, wie die Sonnenstrahlen und eine das Schwert haltende Hand, und passte die Neigung des Lorbeer- und Palmzweigs der Rundung der Medaille an. Gegenüber der überfrachteten Medaille Kitzkatz’ über­ zeugt Dadlers Lösung durch Klarheit der Formen und Lesbarkeit der Darstellung. Deutlichwerden sein souve­ räner Umgang mit der Bildfläche und seine künstleri­ sche Invention in der Umsetzung von Vorgaben. Dadlers zahlreicheMedaillen auf den Schwedenkö­ nig fanden große Verbreitung im Zuge der Propaganda­ bemühungen der Protestanten, die den »Löwen aus Mit­

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