Leseprobe
122 Con molta gloria zusätzlich zu seinem herzoglichen Salär Geld verdienen, um in Rom mit zwei Dienern ehrbar ( honoratemente ), das heißt standesgemäß hauszuhalten. Seit Februar 1606 lebte Peter Paul Rubens mit seinem Bruder Philipp in der Via della Croce, nahe der Piazza di Spagna. Sein Streben nach Ehre ( zelo d’honore ) habe ihn dazu getrieben, einen der schönsten und bedeutendsten Aufträge, der in Rom zu vergeben sei, anzunehmen, nämlich das Hochaltarbild für die sogenannte Chiesa Nuova des Oratorianerordens zu malen. Ein solches Angebot auf ehrenvolle Weise abzulehnen, sei ihm angesichts von hochrangigen Gönnern des Projekts nicht möglich ( non potrei con honore lasciar ). Durch die Erfüllung des Auftrags hingegen könne er in Rom auch seinem herzoglichen Patron Vincenzo Gonzaga Ehre machen ( li faccia tal honor in Roma ). Aufgrund der Ehre und des praktischen Nutzens habe er großes Interesse an dieser Sache ( gran mio interesse nell’honor et util insieme ). Er hoffe deswegen auf das Entgegenkommen des Herzogs und die Genehmigung seines Aufenthalts in Rom für weitere drei Monate. Diese fünffache Ehrenfanfare wird durch ein »Gloria« bekräftigt: Ruhmvoll sei der Auftrag nämlich schon dadurch, so erläuterte Rubens, dass er ihn trotz der Ansprüche der angesehensten Maler Roms erhalten habe ( ottenuta con tanta gloria contra le pretensioni di tutti li primi pittori di Roma ). Als Rubens dies schrieb, lag die erste Vereinbarung mit den Oratorianern vier Monate, der Abschluss eines detaillierten Vertrags gut zwei Monate zurück. 8 In diesem hatte sich der Künstler verpflichtet, nach der Vorlage vonArbeitsproben und Entwürfen innerhalb von acht Monaten das Hochaltarbild für die Kirche Santa Maria in Vallicella, genannt Chiesa Nuova, zu malen. Darauf sollten die Märtyrer Papianus und Maurus auf der einen, die Märtyrerin Domitilla mit ihren Begleitern Nereus und Achilleus auf der anderen Seite, in der Mitte der heilige Papst Gregor und oben die Muttergottes dargestellt sein. Die Finanzierung übernahm im Wesentlichen ein unge- nannter Prälat, der aus seinem Privatvermögen 300 Scudi stiftete. Seine Spendenzusage war allerdings an die Beauftragung von Rubens gebunden. Die jüngere Forschung ist sich einig, dass es sich bei dem Mäzen um Giacomo Serra handelte, einen aufstrebenden Geistlichen am päpst- lichen Hof, der aus Genua stammte und 1611 Kardinal werden sollte. Mit der Familie Serra war Rubens zuvor in Genua in Kontakt gekommen. Zwei der eindrucksvollsten Porträts, die Rubens in Italien schuf – beide voller grandezza – zeigen Giacomos Schwester Maria Serra (Abb. 3, S. 187) und seine angeheiratete Tante Veronica Spinola Serra (Kat. 46). 9 Maria war mit dem Bankier Niccolò Pallavicino verheiratet, der Anfang 1606 Herzog Vincenzo Gonzaga, mit dem er in engen Geschäftsbeziehungen stand, beherbergt hatte. Hier wird die enge Verbindung deutlich, die zwi- schen Rubens’ Patronen in Mantua, Genua und Rom bestand. Im Hinblick auf denAuftrag für die Chiesa Nuova schuf Rubens ein mittelgroßes Gemälde, das heute in der Berliner Gemäldegalerie bewahrt wird und vermutlich als Arbeitsprobe gedacht war (Abb. 1). 10 Es dürfte vor dem 25. September 1606 entstanden sein, weil es weder die Madonna noch die Heiligen Nereus und Achilleus zeigt, die im vertraglich vereinbarten Programm vorge- sehen sind. Die Mitte nimmt der heilige Papst Gregor ein, der Richtung Himmel blickt, wo Strahlen eine oberhalb des Bildes befindliche Erscheinung – vermutlich die Gottesmutter – anzei- gen. Links sieht man die Heiligen Maurus und Papianus, rechts die heilige Domitilla mit der Märtyrerpalme. Als Prinzessin des flavischen Hauses und Nichte Kaiser Domitians trägt sie ein Diadem. Die Darstellung der beiden Soldatenheiligen orientiert sich, was Kleidung, Ausrüstung und Haltung angeht, an römisch-antiken Vorbildern. So wurde der hintere, auf den Betrachter blickende bärtige Heilige nach demVorbild der kolossalen Mars-Ultor -Skulptur (Abb. 2) geformt. 11 Die Gestalt Domitillas ist zwar durch eine sehr schöne Ölstudie nach lebendem Modell vorberei- tet (Abb. 3), 12 doch stilisierte Rubens das Profil im antiken Sinne: Auf dem Berliner Gemälde lässt es an den großen Kopf der Juno Ludovisi denken, der wie die Mars-Ultor -Statue seit dem 16. Jahrhundert in römischen Sammlungen nachweisbar ist (Abb. 4). 13 Im Hintergrund erkennt man den Palatinhügel mit seinen Ruinen und der frühchristlichen Rundkirche San Teodoro. All diese Elemente deuten darauf hin, dass Rubens sein Bild mit Blick auf Cesare Baronio (1538– Abb. 2 Statue des Mars Ultor römisch, frühes 2. Jahrhundert Marmor, 360 cm Rom, Kapitolinische Museen
Made with FlippingBook
RkJQdWJsaXNoZXIy MTMyNjA1