Leseprobe

258 Peter Paul Rubens. Lot und seine Töchter Seit 1609 herrschte der Zwölfjährige Waffenstillstand zwischen den spanisch beherrschten süd- lichen und den abtrünnigen nördlichen Niederlanden. Die Kampfpause ermöglichte einen inten- siveren kulturellen Austausch zwischen den verfeindeten Teilen des zerissenen Landes. Man verstand die Niederlande noch für lange Zeit als einen gemeinsamen Kulturraum und Antwerpen als führend, insbesondere in Bezug auf die Verbindung in das vorbildliche Italien. Ein Indiz dafür ist die intensiveAuseinandersetzung nördlicher Künstler mit den Neuerungen, die aus Antwerpen zu ihnen gelangten. Die Rezeption von Lot und seine Töchter ist dabei nur ein Beispiel von vielen. Die meisten Fassungen des Themas von Malern im Norden bezogen sich in der einen oder ande- ren Weise auf diese Komposition, und die plötzliche Beliebtheit des Sujets im Norden ging sicher auf das Aufsehen zurück, das Rubens’Werk erregt hatte. 4 Dass der Stich tatsächlich das Schweriner Werk zeigt und dieses demnach das Original aus Rubens’ Hand ist, war nicht immer unumstritten. Friedrich Schlie, erster Direktor des Schweriner Museums, katalogisierte es 1882 als Schulwerk und hängte es im betreffenden Saal über eine der Türen, sodass es kaum zu beurteilen war. 5 Es erstaunt daher nicht, dass Wilhelm Bode es 1891 überhaupt nicht erwähnte, sondern vermutlich unter die vorhandenen Kopien nach Rubens und Van Dyck subsumierte, über die er urteilte, sie »verdienen keine besondere Erwähnung«. 6 Max Rooses, der es vermutlich nicht im Original kannte, bezeichnete es 1886 gar als Kopie, möglicherweise aufgrund der Darstellungsweise des Kupferstichs, die kaum geeignet ist, die malerischen Qualitäten der Leinwand wiederzugeben. 7 Erst Rudolf Oldenbourg erkannte das Bild 1921 als eigenhändig, Abb. 1 WILLEM VAN SWANENBURG NACH PETER PAUL RUBENS Emmausmahl 1611 Kupferstich, 321 ×323 mm Amsterdam, Rijksmuseum

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