Leseprobe

300 Things Matter. Zur Rubensrezeption in der zeitgenössischen Porträtfotografie Die Darstellung des menschlichenAntlitzes gehört zu den ältesten Motiven in der Geschichte der Kunst. Bereits die Antike kannte Porträtbüsten und Wandmalereien, die die Gesichter von Herr- schern oder höhergestellten Persönlichkeiten zeigen. Kam es dabei zunächst weniger auf die genaue Wiedergabe der individuellen Physiognomie an, die zugunsten eines idealisierten Stils zurücktrat, entwickelte sich spätestens in der Renaissance eine möglichst naturgetreue, dem Indi- viduum und seinen äußeren Merkmalen verpflichtete Darstellungsweise. 1 Die Künstler jener Zeit schufen detailgenaue Porträts und zunehmend auch Selbstbildnisse, die Ausdruck ihrer künstle- rischen Souveränität waren. Es kam zu einer ersten Blüte des Porträts, das durch den wachsenden Repräsentationsanspruch von Adel, Klerus und vermögenden Bürgern im Barock noch weiter an Bedeutung gewann. Daran änderte sich bis ins 19. Jahrhundert hinein kaum etwas, und das Por- trät galt nach der Historienmalerei lange Zeit als wichtigste Bildgattung. 2 Während Gattungshierarchien längst keine Rolle mehr spielen und sich der individuelle Repräsentationsanspruch gewandelt hat, beschäftigt das Porträt Künstlerinnen und Künstler bis heute, wobei es seit dem Ende des 19. Jahrhunderts speziell in der Fotografie einen bedeutenden Stellenwert einnimmt. 3 Galt insbesondere die Abbild- und Memorialfunktion des Porträts jahr- hundertelang als wesentlicher Aspekt, 4 ist es in der zeitgenössischen Kunst immer öfter Projek- tionsfläche gesellschaftlicher Umwälzungen und aktueller politischer Themen. Hieran zeigt sich nicht nur die, so Wolfgang Büche, »verstärkte inhaltliche Wandlung der der Gattung inhärenten historischen Determiniertheit«, 5 sondern damit einhergehend auch die veränderte Bedeutung der Funktion, was wiederum Einfluss auf die Ausführung des modernen Porträts genommen hat. Dessen ungeachtet beziehen sich einzelne Fotografinnen und Fotografen des 21. Jahrhunderts noch immer auf altmeisterliche Vorbilder, die der Gattung des Porträts einst zur Blüte verholfen √ Kat. 117 MAXINE HELFMAN Eilsel 2012 Fotografie, 63,5x43,2 cm Staatsgalerie Stuttgart, Graphische Sammlung (Detail) Kat. 94 SUZANNE JONGMANS Prince Jona 2010 Fotografie, 60×75 cm Suzanne Jongmans Courtesy Galerie Wilms Kat. 95 SUZANNE JONGMANS Princess Eva 2009 Fotografie, 75×95 cm Suzanne Jongmans Courtesy Galerie Wilms

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