Leseprobe

58 lerischenWerte des Mittelalters und der Renaissance abzielende Wiederherstellung. 5 Wiederholt wurde in diesem Zusammen- hang die Rücksichtslosigkeit beklagt, mit der man noch bis weit in das 19. Jahrhundert hinein den wertvollen Bestand behandelte und der zu gravierenden Verlusten geführt hatte. Beinahe auf Schritt und Tritt begegneten die Arbeiter vermauerten oder als Bauschutt verkippten Resten kunstvoller Maßwerkgliederungen (wahrscheinlich aus den heute leeren bzw. verglasten Spitzbo- genöffnungen des Kreuzgangs), von Fenster- undTürgewänden, Gewölberippen, Schlusssteinen und figürlichen Reliefs von teil- weise erheblicher Größe. 6 Diese sorgsam geborgenen Fragmente vermitteln, zusätzlich zu den bis heute in situ bewahrten oder rekonstruierten Architekturgliederungen, eine Vorstellung über die vielfältige baugeschichtliche Entwicklung der Klausuranlage vom 12. bis zum 16. Jahrhundert. Leider legte man damals wenig Wert auf eine wissenschaftlich exakte Dokumentation, sodass in der Regel nicht einmal der exakte Fundort überliefert ist. Dies trifft auch auf zwei der frühesten und interessantesten Objekte zu, die in diesem Zusammenhang zutage traten: das Fragment einer Tiermaske – als »Löwenköpfchen« bezeichnet – sowie Reste einer mit Bauplastik gezierten Portalanlage. Beide Stücke standen durch langjährige Auslagerung für die eingangs erwähnte Sonderausstellung 2018 nicht zur Verfügung und fan- den daher auch im Katalog keine Berücksichtigung. Sie sollen deshalb hier vorgestellt werden. Das sogenannte Löwenköpfchen Im Zuge der Baumaßnahmen an der Klausur zwischen 1929 und 1931 kam dieses mit einer Höhe von nur 14 Zentimetern relativ unscheinbare Fragment zumVorschein. 7 Die vermutlich früheste Erwähnung des Stücks findet sich in einem von Josef Müller, dem ersten Leiter des Museums für Stadtgeschichte, verfassten Artikel im Chemnitzer Tageblatt : »Der kleinste, aber vielleicht inte- ressanteste Fund ist ein Bruchstück eines in Stein gehauenen Tierköpfchens, wohl eines Löwenkopfes. Es handelt sich um eine Arbeit des romanischen Stils aus der Frühzeit des 13. Jahrhun- derts. Man möchte vermuten, daß dieses Stück, das ganz streng und einfach gearbeitet ist, vom Portal der romanischen Kloster- kirche stammt. Löwenfiguren kommen an romanischen Kir- chenportalen ja häufig vor.« 8 Die Untersuchungsergebnisse von Frieder Jentsch 9 weisen als Material einen hellen Sandstein nach, dessen Herkunftsort in der Nähe von Zeitz vermutet wird und der auch für weitereTeile des bauplastischen Schmucks der Klosterkirche – beispielsweise die beiden in diesem Band besprochenen Dämonenmasken (auch als Neidköpfe bezeichnet) 10 – benutzt wurde. Diese Feststellung überrascht insofern, als mit dem sogenannten Chemnitzer Kris- talltuff ein vor Ort anstehendes Material verfügbar war, das für die romanische Bauphase der Klosterkirche wie auch für weitere gleichzeitig errichtete Gebäude der Stadt Chemnitz sowie des näheren UmlandsVerwendung fand. 11 Nach 1220 wich man all- mählich auf ein anderes Gestein, den hellgelblich bis rot gefleckt gefärbten Chemnitzer Porphyrtuff aus, vermutlich, weil die Ka- Abb.2 Wechselburg, Stiftskirche, Dämonenmasken an der Hauptapsis

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