Leseprobe
112 dierung fürstlicherTerritorialmacht gern zu versichern trachteten. Betrachtet man das Kloster selbst hinsichtlich seiner baulichen Gegebenheiten außerhalb der Klausur und seiner »Angestell- ten«, wird man schon bei oberflächlicher Betrachtung den einen oder anderen Hinweis auf etwaige militärische Aspekte finden können. Andere Quellen entschlüsseln sich diesbezüglich erst bei näherer Betrachtung und unter Einbeziehung weiterführen- der Dokumente. Da ist zunächst erst einmal die Existenz einer Waffenkammer in den Wirtschaftsgebäuden der Abtei zu ver- merken. Man darf annehmen, dass sie, als die Visitatoren diese 1541 unter die Lupe nahmen, vielleicht nicht mehr in bestem Zustand war; immerhin aber wies sie Rüstungsteile für rund zwei Dutzend Bewaffnete des Klosters aus, darunter folgende Einzelpositionen: »Von harnisch ist in forrath: xxiiii halbe teil bos und gut i hinterteil acht ringkhawben zwei armschynen ein gewher ein pauck ein seydenn fenlein zwei helbarten [...] [...] auch hat man in vorrath funffzig streit karrn darauf man hacken bucksen fharn kann.« 7 Die klösterliche Waffenkammer hätte, legte man die Anzahl der »harnisch« als mögliche Bezugsgröße zugrunde, demnach einmal Ausrüstung für etwa 20 Dienstleute – vielleicht mehr, vielleicht etwas weniger – stellen können. Eine derartige Zahl scheint plausibel, gibt es doch – wenngleich, das muss ein- schränkend gesagt werden, fast ausschließlich für Zisterzienser- klöster – im Heiligen Römischen Reich durchaus vergleichbare Zahlen. 8 Im Hinblick auf das Phänomen »militärische Potenz« der Chemnitzer Benediktinerabtei muss aber konstatiert werden, dass es sich bei den bewaffneten Dienstleuten wohl um die Tra- banten, um die persönliche Eskorte des Abtes oder der in seinem Auftrag reisenden Angehörigen des Konvents gehandelt haben dürfte, nicht um primär für Belange militärischer Aufgebote, etwa im Rahmen derTerritorial- und Landesverteidigung, dispo- nibles Personal. 9 Aufgrund der Quellenlage bleibt jedoch voll- kommen im Dunklen, aus welchem Personenkreis sich die klös- terlichen Trabanten rekrutierten, wie ihre Besoldung erfolgte und ob ihr Dienst ein situativer oder ein permanenter war. Letz- teres zieht die Frage nach sich, ob und wenn ja, wo die bewaff- neten Dienstleute im Kloster untergebracht waren. Unklar ist weiter, ob der in den Inventaren erwähnte »Hauptmann« 10 sei- ner Funktion nach der Befehlshaber der bewaffneten Kloster- knechte war und welchen Charakter die »Knappen« des Abtes hatten. Das Phänomen der klösterlichen Waffenkammer wirft damit mehr Fragen auf, als sich derzeit aufgrund der Quellenlage beantworten lassen. Fakt ist jedoch, dass niemand ein Arsenal von Rüstungsteilen und dazu noch einen »reisigen stal« anlegt, lediglich, um irgendwelche beliebigen Personen damit zu kos- tümieren und aufs Pferd zu setzen – sondern man hat mit Be- reitstellung von Bewaffnung und Beritt einen konkreten Zweck verfolgt. Die entsprechende Befähigung zur Waffenführung in Ernstfall kann damit den wenngleich nur unscharf zu definie- renden »milites« des Klosters wohl a priori attestiert werden. Anders, und damit tatsächlich im größeren Kontext der Territorial- oder Landesverteidigung militärisch definiert, ver- hält es sich hingegen mit den ebenfalls im Inventar auf fol. 110 ausgewiesenen 50 Kriegswagen. 11 Eine solche Zahl ist schon verblüffend, allerdings wird der Befund relativiert, wenn man im Blick behält, dass bereits reichlich 100 Jahre zuvor die Hus- siten, wie etwa in der Schlacht von Mies und Tachau, weitaus größere Kapazitäten ins Feld führen und Wagenburgen aus mehreren Tausend Fuhrwerken bilden konnten. 12 Dennoch: 50 Abb.1 Heereszug , Hausbuch Schloss Wolfegg, fol.51/52
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