Leseprobe

10 Sprachformen wie 1143 locus kameniz und auch noch 1174 Kame- niza fluvius weisen zweifelsfrei ins 12. Jahrhundert und kommen so konsequent im 13. Jahrhundert nicht mehr vor. Die Zeugen sind nun a) auf ihre tatsächliche Existenz um 1143 ausdrücklich zu hinterfragen und b) im Vergleich mit anderen Urkunden in ihrer Schreibweise zu analysieren bzw. zu prüfen. Als Hilfestellung für die Diplomatik sollen nun nachfolgend die Zeugen aus sprachgeschichtlicher Sicht kritisch näher betrachtet werden. Es wird sich dabei herausstellen, dass die Diplomatik gut beraten ist, wenn sie die Ergebnisse aus einer linguistischen Nachbardisziplin zu beachten und zu nutzen bereit ist. Welche Zeugen nennt die Urkunde von 1143? Die Urkunde von 1143 enthält außer der einzigen Ortsangabe locus kameniz dictus eine beachtliche Zeugenreihe. Sie setzt ein mit Erzbischof Fredericus von Magdeburg, Bischof Embrico vonWürz- burg und Bischof Udo von Naumburg. Sie sind als Zeitzeugen unangefochten und unbestritten. Ihnen folgen die weltlichen Zeugen. Sie erfordern eine etwas detailliertere Betrachtung. Insgesamt nennt die Urkunde 28 weltliche Zeugen, davon zwei jeweils mit Sohn, ohne deren Rufnamen anzugeben. Neun Zeugen sind nur mit ihren Rufnamen erwähnt, davon fünf mit Grafentitel ( comes ), vier ohne jegliche Statusangabe. Seitens der Diplomatik ist es inzwischen gelungen, die fünf Zeugen mit demTitel comes aus der Gruppe der neun Zeugen ohne Angabe des Herrensitzes bestimmten Burgen bzw. Herrschaftssitzen zu- zuordnen. Diese Leistung ist publiziert in den von J. F. Böhmer edierten Regesta Imperii , und zwar unter IV., in Abteilung 1: Die Regesten des Kaiserreiches unter Lothar III. und Konrad III.Teil 2: Konrad III. 1138 (1093/94)–1152, neu bearbeitet von Jan Paul Niederkorn unter Mitarbeit von Karel Hruza,Wien u. a. 2008, S. 115, Nr. 270 (zitiert als RI IV.2, Nr. 270).Wo im Einzelfall von den dort vor- genommenen Verortungen der Zeugen nachfolgend abgewi- chen werden muss, wird das jeweils ausdrücklich erwähnt und begründet. Wie verteilen sich die weltlichen Zeugen? Als wesentlich hat sich ergeben, dass die weltlichen Zeugen in hierarchischer Anordnung angeführt sind.Außerdem erscheinen sie dabei in einer gewissen von Nord nach Süd fortschreitenden Abfolge. Die Aufzählung beginnt mit den Vertretern aus einem weit gespannten Raum von der Nordmark über das heutige Niedersachsen undThüringen bis Sachsen-Anhalt. Im Einzelnen sind es: 1. Albertus marchio et filius eius – Albrecht der Bär, Markgraf der Nordmark, und Sohn; 2. Otto comes des Rineko – Graf Otto von Rheineck 5 und Sohn. In einer Urkunde von Markgraf Konrad von Meißen ist Zeuge 1145 Otto comes de Rinekka (UBN I, Nr. 170), ebenso in einer Urkunde von König Konrad III. 1145 in der Genitivform Ottonis comitis Rineccensis (UBN I, Nr. 174). 3. comes Ernestus – Graf Ernst vonTonna. RI stellt hier den Bezug zu den Orten Burg- und Gräfentonna südöstlich von Bad Lan- gensalza in Thüringen her. 6 Felix Rosenfeld aber verbindet den Grafen mit der Burg Gleichen bei Wandersleben in Thüringen in einer Urkunde von Konrad III. aus dem Jahr 1139 mit dem Zeugen Ernestus comes (CDS I 2, Nr. 131, vgl. dazu UBN I; Nr. 145). Der scheinbare Widerspruch löst sich jedoch auf, da die Burg Gleichen denen von Gräfentonna durch den Erzbischof von Mainz übertragen wurde (vgl. Patze in HB Thüringen, S. 146 und unter Gräfentonna S. 163 zu Lambert und Ernst Mitte des 12. Jahrhunderts). 4. comes Lambertus – Graf Lambert von Tonna (RI). Auch hier bezieht Felix Rosenfeld den Zeugen auf die Burg Gleichen in der Urkunde von König Konrad III. 1147 (UBN I, Nr. 181). 5. comes Rodulfus – Graf Rudolf von Stade westlich der Elbe mit Burg und Grafensitz (RI). Vgl. dazu auch 1114 Roˇdolfus marchio (UBN I, Nr. 115, vgl. auch zu 1152 unter Nr. 208). 6. comes Bernardus – Graf Bernhard von Plötzkau südwestlich von Bernburg in Sachsen-Anhalt (RI). Vgl. dazu 1139 Bernhard de Plozeke (CDA I, 262, zit. n. Eichler SON 3, S. 81). 7. comes Ludewicus de Lara – Ludwig von Lara (RI), was doch fraglich erscheint, da ein Ort Lara unbekannt ist. Die überlieferte Form gehört sicher zur Burg Lohra und zu dem Ortnsamen (im Folgenden: ON) Großlohra im Landkreis Nordhausen mit älterer Überlieferung, zum Beispiel 1154 und 1155 Lare. 7 1139 ist Lode- wicus comes de Lare Zeuge in der Urkunde von Konrad III. (CDS I 2, Nr. 131), ebenso 1144 Ludewicus comes de Lara (UBN I, Nr. 161). Dazu ist auch räumlich der nächste Zeuge durchaus stimmig: 8. Sigeboto de Scartvelt – Sigebodo von Scharzfeld (RI) ist zutref- fend, da erst nach 1540 für ursprünglich <t> in der Tradierung <z> ganz sekundär auftritt. 8 Der Ort liegt am südlichen Harz- rand bei Herzberg. 1139 ist Sigebodo de Scartvelt Zeuge in der Ur- kunde von König Konrad III. (CDS I 2, Nr. 131). Um 1140 tritt als Zeuge in einer Urkunde von Bischof Udo von Naumburg Sigeboto de Scartenfeld auf (UBN I, Nr. 155). 9. Cristanus de Rotenburc – Christian von Rothenburg (RI). Hier kann noch eingrenzend ergänzt werden, dass sicher Rothenburg im nördlichen Saalekreis gemeint ist, heute Ortsteil der Stadt Wettin-Löbejün nordwestlich von Halle (Saale). Eine alte Burg ist erwiesen. 9 Um 1140 ist Zeuge in einer Urkunde von Bischof Udo von Naumburg Cristanus de Rotenburc (UBN I, Nr. 155).

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