Leseprobe
61 Begriffe, Materialien, Formen, Vorbilder Begriffe So vielfältig wie die Gestaltungen der Kronleuchter, so vielfältig sind im Erzgebirge deren Bezeichnungen und Namen. In den frühesten Quellen vom Anfang des 19. Jahrhunderts wird analog dem höfischen Vorbild der Name Kronleuchter benutzt. 142 Ernst WilhelmRichter spricht 1852 nur vom Leuch- ter , der hängt. 143 Erst danach, in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, kommt der nach wie vor am häufigsten verwendete Begriff Spinne , wie auch Bergspinne , Spinnenleuchter oder Leuchterspinne auf. Die Namens- änderung von Kronleuchter zu Spinne markiert gleichzeitig den Abschluss des Konsolidierungsprozesses vom höfischen Ursprung ins erzgebirgische Brauchtum. Namensgebend war die Ähnlichkeit mit einer Spinne, hervor- gerufen von den meist acht, am gedrechselten Schaft angebrachten, gebo- genen Kerzenarmen aus Draht. Die früheste bisher bekannte Erwähnung dieses Begriffs steht in einer Schilderung von Mettenschichten erzgebirgischer Bergleute, die vor 1860 stattfanden. Hier wird erstmals von »sogenannten Bergspinnen« gespro- chen und diese von »Bergleuchtern« unterschieden und beschrieben. 144 Bergspinnen (siehe Abb. 32) sind »klein und möglichst einfach; ausser einige Blumen, Sternen und Ringen zeigten sie keinen besonderen Zierrat.« Berg- leuchter hingegen (Abb. 33) »waren ziemlich zusammengesetzt und hatten mehr die Gestalt unserer Kronleuchter. Sie zeigten in der ersten Docke einen Bergmann, zwischen den Armen Hirsche, Rehe, Jäger, Bäume und biblische Personen.« Der Begriff Bergleuchter beschreibt Schaft-Kronleuchter mit geschnitzten, gedrechselten oder gesägten Armen aus Holz. 33 Bergleuchter mit 14 oder 16 Kerzenarmen wohl E. Stimpel Grumbach, wohl vor 1900 Holz gedrechselt, geschnitzt und farbig gefasst Foto: Else-Marie Wunderlich, um 1935/ vor 1944 Deutsche Fotothek Dresden, Nr. df_hauptkatalog_0149013 Der Schaft dieses zwischen 1935 und 1944 im Dresdner Museum für Sächsi- sche Volkskunst fotografierten Leuch- ters ist als Bergmann gestaltet. Hierbei handelt es sich um einen Kriegsverlust. Möglicherweise zählte dieser Leuchter zu den in der Beschreibung einer Met- tenschicht durch den Lehrer Brandt genannten »Bergleuchtern« mit einem »Bergmann in der ersten Docke« oder er wurde nach diesem Vorbild gefertigt.
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