Leseprobe

63 teile wie der Schaft – im Erzgebirge als Docke bezeichnet – in unterschied- lichsten Ausführungen und die meist s-förmig geschwungenen Kerzenarme sowie die sich dazwischen befindlichen Brettchen zur Aufnahme von geschnitzten Figuren und weiteren Verzierungen. Die Arme waren ausge- sägt, geschnitzt oder gedrechselt. Hatten die Hersteller Zugang zu starkem Eisendraht, entstanden daraus die Leuchterarme, auf denen entweder metallene Rüböllämpchen oder gedrechselte Kerzentüllen angebracht wurden. Die Holzteile erhielten eine farbige Fassung und manchmal auch weitere, lichtreflektierende Verzierungen wie Metallpapierprägeborten oder Glasflitter. Oft sind die schmückenden Figuren aus einem Komposit, einer auch als Masse bezeichneten Substanz, die modelliert oder in Formen gegossen oder gedrückt wurde. Diese Masse bestand bei manchen Herstel- lern aus mit Leim oder Kleister gebundenem »Kehrmehl« aus Bäckereien, einige fügten Sand oder Gips bei. Auch eine modellierbare Masse aus Papiermaché mit anderen Beimengungen wurde verwendet. 147 Weitere Materialien waren Leder, Textilien, Pappe, Papier oder Stroh, manches Mal Abfallprodukte aus der ortsansässigen Industrie bis hin zu Zigarrenschach- teln. Glaskugeln und andere Glasteile in vielfältigen Varianten, die meist aus dem nahen Böhmen, aber auch aus Lauscha stammten, waren eben- falls ein beliebter Schmuck. Exkurs | von Christina Nehrkorn-Stege Prägeborten aus Metallpapier – ein Zierrat aus maschineller Produktion An vielen erzgebirgischen Kunstobjekten wurden zur zusätzlichen Dekora- tion vorgefertigte Verzierungen angebracht. Zu diesen gehören die gepräg- ten Schmuckborten aus Metallpapier, die auch an einigen Kronleuchtern aus der Sammlung des Museums für Sächsische Volkskunst appliziert wurden. Gestalterische Absichten sind sowohl das Erzielen strukturgeben- der Akzente in der Gesamtkomposition als auch das Gewinnen von Gold- reflexen – insbesondere bei Kerzenbeleuchtung. Hierbei betonen die Metall- papierborten die konstruktiven Grundelemente der Leuchterarchitekturen (Abb. 36, siehe Abb. 38, 46, 52, 84). Die nötige Flexibilität für die Applikation der Verzierungen liegt in ihrer Materialität begründet; es ist ein Verbundmaterial aus Papier und einer meist goldglänzenden Metallauflage. In der Literatur werden drei mögliche Arten der Metallauflage beschrieben. 148 Für mehrere Objekte aus der Muse- umssammlung ab 1853 konnte insbesondere eine Verwendung der Papiere mit galvanisch niedergeschlagener Metallauflage nachgewiesen werden. Ihre Produktion war nach Patenten von 1840 möglich. 149 Papierunterlage und Metallauflage werden in weiteren Arbeitsschritten miteinander mustergeprägt. Noch 1841 wird das händische Prägen in einer Spindelpresse beschrieben 150 und es werden bereits Papierprägeanstalten im süddeutschen Raum genannt. 151 Ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhun-

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