Leseprobe

Sachlichkeit Günther Blau fand erst während der 1960er Jahre zu seinem zweiten wichtigen Schwerpunktthema: der Stilllebenmalerei. Zuvor galt seine Hauptaufmerk­ samkeit der Landschaft und den Städtebildern. Wäh­ rend er dabei an einer Reduktion des gesehenen Weltausschnitts, einer Klärung und Straffung der Bildgegenstände arbeitete, faszinierte ihn an den Stillleben die Kunst der Augentäuscherei. Die Objekte auf den Bildern weichen im Maßstab viel weniger von der gemalten Realität ab als bei den Landschaften. Blau lag offensichtlich viel daran, die verschiedenen Oberflächen, die unterschiedlichen Materialien, Spiegelungen und Schattenwürfe nach der exakten Beobachtung möglichst wirklichkeitsnah zu schildern. Dabei bilden die Stillleben nie zufällig vorgefundene Objekte ab. Der Maler arrangierte die Dinge allein, um sie malen zu können. Bei Gemischtes mit Zeich- nung (1963) reizte ihn die Inszenierung eines Bildes im Bild. Die aquarellierte Bleistiftzeichnung eines Tierschädels klebte er auf eine Holzplatte. Im Bild wirkt sie so, als wäre sie über einem Bord mit Mal­ utensilien an die Wand des Ateliers geheftet. Die Zeichnung aber ist echt. Sie existiert physisch nur an diesem Ort, als Montage in diesem Gemälde, und bildet dort zudem den Malgrund für weitere Objekte, Pinsel und Mohnkapseln mit ihren jeweiligen Schat­ ten sowie drei Heftzwecken, deren Köpfe ebenfalls nur vorgetäuscht sind. 42 Auch andere Stillleben zeigen zumeist einfache Objekte des täglichen Lebens. Vielleicht lassen sich etliche der frühen Bilder auch als Plädoyer für Ein­ fachheit oder Bedürfnislosigkeit verstehen. Günther Blau hatte nur geringe Einkünfte und gab sich mit Wenigem zufrieden. Flasche, Brot und Birne (1964) scheint ein bescheidenes Mahl zu zeigen. Solche Bilder dürfen jedoch nicht als Spiegel des Alltags missverstanden werden. Dem widerspricht zum Bei­ spiel die Anordnung der Dinge auf einer Glasplatte, die allein dem Zweck dient, die Objekte und ihr Spiegelbild nebeneinander ins gemalte Bild zu setzen. Farbe und Form wurden dabei nicht exakt gedop­ pelt, sondern leicht verändert, weil der Glasboden eben kein echter Spiegel, sondern spiegelndes Glas war. Der kunstvolle Leerraum scheint zugleich zum Konkreten führen zu wollen. Eine existenzialistische Botschaft ließe sich weniger aus dem Anblick einer Mahlzeit als Einblick in das Leben eines Malers folgern, sondern könnte darin bestehen, den Maler anhand des Gemalten vorzustellen. An der Schnittstelle eines imaginär über das Gemälde gelegten Kreuzes erscheint der Reflex eines Fensterkreuzes auf dem braunen Glas einer Bierflasche. Günther Blau bedau­ erte später den Verlust dieses Motivs sehr, als einmal gründlich aufgeräumt worden war. Es handelte sich also einerseits um eine einst gewöhnliche Flasche, aber eben keine, die überall noch im Gebrauch und damit schnell zur Hand war. Im Übrigen aß Günther Blau gar keine Blutwurst, obwohl er sie gerne malte.

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