Leseprobe
98 Gedanken Auf der Rückseite seiner kleinen Collage Omaggio a Morandi von 1990 steht folgende Widmung meines Mannes, des Malers Günther Blau: »Omaggio a Morandi, dem großen M[orandi] und s[einen] kleinen Stilleben und seinen beiden Schwestern, die ihn behütet haben, damit er malen konnte, nichts als malen.« In dem kurzen Motto »Malen, nichts als malen« ist auch die Intention meines Mannes für sein eigenes Leben sehr klar zusammengefasst. Diese Aussage unter streicht sein Bestreben, der großen Verpflichtung sich selbst gegenüber gerecht zu werden. Schon früh war er sich ganz sicher, dass er Maler werden wollte. Äußerst zielstrebig hat er dieses Ziel verfolgt. Selbst im Kriegs geschehen versuchte er zu zeichnen. »Und dabei soll man zeichnen können, schaffen?«, notierte er in Russ land in seinem Kriegstagebuch. In der Nachkriegszeit ging er konsequent seinen Weg, lange Jahre einsam, ohne Anerkennung, aber unbeirrt. Doch seine Kunst gab ihm auch die Möglichkeit, in schwierigen Lebenssituationen Ängste, Trauer und Kummer zu verarbeiten. Diese ihm eigene Fähigkeit begleitete ihn durch sein Leben und war eine immense Hilfe in der Bewältigung der Kriegserlebnisse, in den langen Jahren der Pflege unserer Töchter und ebenfalls in den Zeiten der eigenen Krankheit in seinen späteren Lebensjahren. Zu einigen Gemälden habe ich bei der Durchsicht der Werke anlässlich von Ausstellungsvorbe reitungen Notizen gemacht. Ich habe mich an Szenen unseres gemeinsamen Lebens erinnert und die alten Tagebücher durchgeblättert. Zu einer Auswahl von Bildern, die meinem Mann sehr wichtig waren und die auch mir wichtig sind, möchte ich seine Formulierungen und eigene Überlegungen weitergeben. zu einigen Bildern Ruthild Blau »Malen, nichts als malen« Schneiderwerkstatt, 1963 ▶ Seite 36 Vom 7. bis zum 16. 1. 1963 lassen sich kurze Tage bucheintragungen finden, die die Arbeit an diesem Bild bezeugen. Am 7. und 8. 1. schreibt mein Mann: »Schneiderwerkstatt, 68×47 cm, Kohleskizze«, am 11. 1.: »Schneiderwerkstatt in Kasein-Tempera untermalt« und am 15. 1.: »Schneiderwerkstatt in Öl«. Damit enden die Tagebucheintragungen, die sich direkt auf die Schneiderwerkstatt beziehen. Erfahrungsgemäß hat mein Mann meist über einen langen Zeitraum an fast allen seinen Bildern weitergearbeitet und gefeilt. Oft sind sie mehrfach datiert. Auch finden sich im Tagebuch öfter allgemeine Hinweise wie »alte Bilder überarbeitet« oder »an alten Bildern«. Das Ölbild Schneiderwerkstatt hat er im Januar des sehr strengen, schneereichen Winters 1962/63 begonnen. In diesem Bild verbindet er die Sicht auf das winterliche Marburger Schloss und die Oberstadt mit der Luther- und Kugelkirche mit dem gut beheizten Inneren einer Schneiderwerkstatt, in der gearbeitet wird. Der Blick
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