Leseprobe

12 Zeitspuren Orte, Dinge und Menschen in der Malerei Günther Blaus Christoph Otterbeck Noch während des Zweiten Weltkriegs kam der 1922 in Elberfeld geborene Günther Blau nach Marburg. Es zog ihn dann noch mehrfach an andere Orte der künstlerischen Ausbildung, und er unternahm zahlreiche Reisen – im Rückblick allerdings zeigt sich, dass er mit der Zeit zu einem Marburger Maler wurde. Beinahe sechzig Jahre lang, und damit den weitaus größten Teil seines Lebens, verbrachte Günther Blau in der Universitätsstadt und ihrer unmittelbaren Umge­ bung. Hier widmete er sich mit großer Konzen­ tration und Konsequenz seiner Hauptbeschäfti­ gung: der Malerei. Seine Bilder aber waren bis 1970 nur vereinzelt zu sehen. Erst dann setzte eine Folge von umfangreicheren Ausstellungen im Marburger Kunstverein und im Universitätsmuseum ein, durch die sich Günther Blau zu einer festen Größe im überschaubaren Kunstleben der Stadt entwickelte. Durch den Erfolg vor allem der folgenden, auswärtigen Ausstellungen galt er beim ortsansässigen Kunstpublikum über Jahre als eine beispielhafte Künstlerexistenz und bekam schließlich 1991 den Marburger Kunst­ preis zuerkannt. Diese späte Anerkennung galt einem Mann, der sich von den Debatten, Abenteuern und Moden der zeitgenössischen Kunst nach 1945 weitestgehend ferngehalten hatte. Ihn beschäftigten vor allem zwei traditionsreiche Genres: das Stadt- und Archi­ tekturbild sowie die Stilllebenmalerei. Das Malen und Zeichnen nach der Natur, die Bild­ werdung von selbst gewählten Motiven gehörte zu seinen glücklichsten Erfahrungen schon in Kindheitstagen. Das musste in den Jahren sich überstürzender Kunstrevolutionen und -erweiterungen wie »aus der Zeit gefallen« wirken. Günther Blaus Werke muten in ihrer Herangehensweise beinahe klassisch an. Aber trotz der Detailschärfe und eines teils genüsslich vorgetragenen Illusionismus gibt es Signale, welche diese Kunstwerke von den Schöpfungen der Vergangenheit deutlich trennen: seine Klärung und Verknappung der Motive, biswei­ len Momente der Verfremdung und eine deutlich reduzierte Farbpalette. Schädel, Brille, Eierschalen 1963, 60×50 cm

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