Leseprobe

39 andersetzung mit der gegnerischen Position offen zu sein. 3 Hätte es sich bei »Dügida« um eine Partei gehandelt, wäre durch den Aufruf des Ober- bürgermeisters das Neutralitätsgebot verletzt worden. Da Dügida nicht als Partei organisiert ist, greift dies nicht, wohl aber das Sachlichkeits- gebot, wie oben aufgeführt. Ergebnis: Die Aktion des Oberbürgermeisters war rechtswidrig. Das bringt mich zum Nachdenken: Wie kann ich – was auch viele Leipzigerinnen und Leipziger erwarten – eine klare Haltung vertreten? Kann ich zuspitzen und politische Gegner benennen? Kann ich mich am Widerstreit der Meinungen beteiligen? Oder müssen meine Äußerungen ihren Stachel der Kritik verlieren? Bleibt somit nur übrig, die Neutralität öffentlicher Ämter und Institutionen – zweifelsohne ein hohes Gut – zu wiederholen? Nun möchte ich ganz konkret von Beispielen berichten, die die Kulturpolitik in Leipzig betreffen. Wie beschrieben, unterliegen AmtsträgerInnen und staatliche Einrichtungen dem Neutralitätsgebot. Natürlich kann demge- genüber in der Parteipolitik weiterhin heftig gestritten werden. Und so sind es auch immer wieder Stimmen aus der Politik, die von der Stadt- verwaltung Stellungnahmen einfordern. Das passiert in Leipzig konkret während der Stadtratssitzungen. Sollten Sie noch nicht bei einer dabei gewesen sein, holen Sie dies bitte umgehend nach! Dort werden bei- spielsweise Anfragen an die Stadtverwaltung gerichtet. Ich möchte Ihnen im folgenden zwei Anfragen vorstellen sowie auf einen weiteren Fall ein- gehen. Alle Beispiele zielen auf die aktuelle Streitkultur und Auseinander- setzungen um die Meinungs- und Kunstfreiheit. Das erste Beispiel beschäftigt sich mit der Leipziger Buchmesse und der mehr- mals im Stadtrat gestellten Anfrage, ob bestimmte Verlage von der Messe ausgeschlossen werden können. So lautete eine Einwohneranfrage zur Leipziger Buchmesse 2016, Zitat: »Mich interessiert, was die Stadtver- waltung unternehmen kann und wird, um die Teilnahme rechtspopulis­ tischer und rechtsextremer Verlage und Zeitungen an der Buchmesse künftig zu unterbinden oder zumindest so zu gestalten, dass sie weniger konfliktträchtig ist.« Ein Jahr später fragte DIE LINKE in Bezug auf die Leipziger Buchmesse im Stadtrat, Zitat: »Welche Möglichkeiten sieht die Stadt als Gesellschafterin der Leipziger Messe GmbH, die Präsenz ent- sprechender Verlage, insbesondere auch Compact- und JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co, auf der diesjährigen Buchmesse zu verhindern?« Die Stadtverwaltung antwortete, Zitat: »Die Leipziger Messe GmbH als Unternehmen in öffentlicher Trägerschaft ist an das Grundgesetz gebun- den und kann die wirtschaftliche Tätigkeit nicht mit persönlichen Welt- anschauungen verbinden. Das heißt: Alle Verlage, die sich auf dem Boden des Grundgesetzes bewegen, haben die Möglichkeit der Teilnahme an der Buchmesse. Auch wenn die Auseinandersetzungen mit gegensätzlichen Meinungen teilweise schmerzhaft sind, gehört es zu unserem demo­ kratischen Werteverständnis, Meinungsfreiheit und Meinungsvielfalt zu gewährleisten.« Hier hatten die Antragsteller eine klare Positionierung und einen Ausschluss rechter Verlage gefordert. Im Sinne des Neutralitätsgebots und der Gewäh- rung der Meinungsfreiheit ist dies aber undenkbar. Was die Leipziger

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