Leseprobe
80 Ziegel, Rohre und Bretter aufgestapelt, in den Garagen waren die Werk- zeuge versammelt. Es gab Werkzeuge zum Bohren und Schleifen und auch zum Trennen und Verbinden. Eine feste Verbindung schuf der Vor- gang des Schweißens, er faszinierte mich am meisten. Es fand vor der Garage statt und mir wurde gesagt, dass ich nicht ins Licht sehen dürfe. Nicht zu lang und nicht zu nah, da das Licht hell blitzte und knisternde Geräusche von sich gab. Ich wusste, dass das gleißende Licht eine Gefahr sein musste, trotzdem schaute ich bei Gelegenheit einen Augen- blick hin. Es war für mich ein kurzes Schauspiel ohne Zuschauer, ein geheimnisvolles Blendwerk. Mit ungeschützten Augen musste ich der künstlichen Sonne fernbleiben, die durch die extreme Hitze den Stahl zusammennähte und dabei weißes Feuer ausstrahlte. Der, der mit den hohen Temperaturen am Stahl operierte, war deshalb mit dem Lichtbogen allein und hatte immer eine eigenartige Maske oder Brille mit tiefdunklen Gläsern auf. Selbst gegen die volle Sonne gehalten konnte ich dadurch wenig erkennen. Aus dem Augenwinkel heraus mochte ich mich aber, während es für Sekunden blitzte und Funken sprühte, dem hochenerge- tischen Schauspiel nicht verschließen.« Mit 20 Jahren zog ich von Gera nach Leipzig und begann ein Praktikum beim Fotografen Frank-Heinrich Müller. Am Anfang meiner fotografischen Ent- wicklung entdeckte ich Leipzig und fuhr in die Regionen außerhalb der Großstadt, um dort meine Themen zu finden und Formen zu lernen. Erst später begriff ich, dass die Orte, an denen ich mich sowieso alltäglich bewegte oder aufgewachsen war, mich schon geprägt hatten. Und die Menschen natürlich auch. Sei es die Radrennbahn, auf der ich fünf Jahre trainierte, mit dem blauen Geländer und den Formsteinwänden in Kreis- form. Oder die Neubauschule Typ »Erfurt«, die Ende der 90er Jahre abge- rissen wurde. Die Begründung war, es gäbe zu wenig SchülerInnen. Die deutlich ältere Realschule gegenüber aus der Zeit der Jahrhundertwende wurde hingegen saniert. Heute stehen billige Einfamilienhäuser dort, wo ich Ethikunterricht hatte. Seit 2002 fotografiere ich also Architektur, gebaute Formen, die für mich immer auch soziale und politische Räume sind. Abwesende Menschen in meinen Bildern erhöhen nur die Konzentration auf die Spuren von ihnen. Meine kindliche Begeisterung, neue unbekannte Räume zu erkunden, setzte sich im Jugendalter fort mit dem Aufsuchen und Einsteigen in ver- lassene Wohnhäuser, Fabriken und ehemalige öffentliche Gebäude. Manchmal waren da auch die industrielle Moderne und das Bauhaus dabei. Im Gespräch mit meinem Kollegen Axel Rachwalski, der das Museum »form- gestaltung in der ddr« in Wernigerode betreibt, kamen wir auf folgende Aspekte: Wenn es ein Bauhaus-Erbe in der DDR gibt, dann vielleicht im pädagogischen Konzept der Ausbildung an den Hochschulen, also die Verbindung von Kunst, Handwerk und industrieller Serie. Dazu gehört auch im Prinzip die Zuwendung zum Industriellen überhaupt, also die Ein- bindung von studentischen Aktivitäten in die unmittelbare Produktion von Serienartikeln sowie die komplexe Umweltgestaltung und der Beginn industrieller Baumethoden. Nicht der elitäre Gestaltungswillen ist dabei leitend, sondern der Anspruch einer Arbeit für die Masse der Menschen.
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