Leseprobe
129 Manche Mythen des Bauhauses halten sich hartnäckig: Bauhaus als Syno- nym für die Moderne schlechthin, Bauhaus-Stil, Bauhaus als Beispiel für Fortschritt und Rationalität, als Modell für angebliche Gleichbehandlung der Geschlechter, vermeintlich demokratisches Teamwork oder Resis- tenz gegen den Nationalsozialismus – dies sind nur einige Beispiele. Obwohl in der Bauhaus-Forschung das Bild der Schule sehr differenziert dargestellt wird und sich zahlreiche neue Forschungsfelder in den letzten Jahren eröffnet haben, scheint dies bei der populären Sicht auf das Bau- haus eher wenig Wirkung zu zeigen. 1 Ein Konzept für das neue Bauhaus-Museum musste dies in Betracht ziehen und sich positionieren: Inwieweit darf unter touristischen und werbewirk- samen Gesichtspunkten ein simplifizierendes Bauhaus-Bild bedient wer den? Welche der vielen Mythen sollen kritisch reflektiert werden? Soll der ›Bauhaus-Kanon‹ reproduziert oder ein Problembewusststein beim Besu- cher entwickelt werden? Welche Schwerpunkte einer differenzierenden Bauhaus-Historie hat ein speziell für Weimar zu entwickelndes Narrativ? Aber auch: Welche Fragestellungen aktueller Gestaltung und Lebenswelt können mit der Bauhaus-Historie verknüpft werden? Welche Lösungen gibt es dafür, dass eine dem Bauhaus immer wieder zugesprochene Aktu- alität – auch ein von Walter Gropius begründeter Mythos – nicht auf eine Eins-zu-eins-Gleichsetzung mit der Gegenwart hinausläuft? Dabei ist unvermeidlich, dass die langfristige Vorbereitung eines für die Stadt Weimar, den Freistaat Thüringen und den Bund so bedeutenden Muse- ums wieder Arbeit an einem neuen ›Mythos Bauhaus‹ bedeutet, ein Mythos, bei dem Inhalt und Erzählung trotz aller Differenzierung erneut das Konstrukt einer spezifischen kuratorischen Sichtweise sind. Ein Dilemma, dessen man sich ebenfalls bewusst sein muss. Stete Wegbegleiter im Rahmen der Konzeptentwicklung waren im Übrigen auch vielfach geäußerte Vorurteile, von denen nur einige hier aufgezeigt werden sollen: Warum drei neue Bauhaus-Museen an drei Standorten? Reicht nicht ein Standort in Dessau, dort, wo sich das ikonische Bauhaus- Schulgebäude befindet? Sind nicht Museum und Bauhaus ein Wider- spruch? Kann man die Schule, die für sich reklamiert hat, ästhetische, aber auch gesellschaftliche Fragen für die Gegenwart zu lösen, über- haupt adäquat museal darstellen? Für Weimar wird schließlich gern auch als Ultima Ratio einer Bauhaus-kritischen Einstellung der Klassik-Nimbus bemüht: Weimar ist und bleibt Stadt der Weimarer Klassik, nicht der Moderne. Gegen diese Vorurteile galt und gilt es anzuarbeiten, insbeson- dere mit Informationen über die vielgestaltigen Ausprägungen der Moderne in Weimar, über Pläne für die Ausrichtung des Museums wie auch über die Institutionsgeschichte. 2 Ein kurzer Rückblick auf die Mu seumshistorie des Bauhauses in Weimar seit den 1990er Jahren sei deshalb gestattet; sie zeigt, wie sehr das Thema Bauhaus das Selbstver- ständnis nicht nur der jeweiligen Trägereinrichtung des Museums, son- dern auch das der Stadt Weimar prägen sollte.
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