Leseprobe
3399 I. Im Schloßbergmuseum wird ein Stahlstich von Adolf Eltzner und G. Brinkmann mit einer Chemnitzer Stadt- ansicht von um 1870 verwahrt, von der das Stadtarchiv eine fotografische Reproduktion besitzt.1 Der Blick geht dabei von Südwesten nach Norden mit dem Stadtkern im Zentrum. Im unteren Teil ist noch die alte Nikolaikirche erkennbar, die anderthalb Jahrzehnte später einem Nachfolgebau weichen musste. Entlang der Chemnitz ziehen sich aus Richtung Altchemnitz bis hinter die nordöstlichen Abhänge des Kaßbergs Fabrikanlagen hin – das typische Bild für das »sächsi- sche Manchester«. Ebenfalls sehr gut sichtbar ist vor dem oberen Bildrand das imposante Gebäude der Aktienspinnerei, das in unseren Betrachtungen noch eine Rolle spielen wird. Davor sieht man die schöne Anlage des Schillerplatzes und vor diesem die große Freifläche des Neustädter Marktes.Diese Stadtansicht führt uns somit direkt in unser Thema ein, zeigt sie doch, welche gestalterischen Potenziale Chemnitz damals durchaus noch in sich barg.Bei deren Nutzung sollten allerdings seit der Jahrhundertwende nicht nur baulich-praktische, sondern vor allem auch ideell- künstlerische Aspekte wichtig werden, wie Stadtbau- rat Michael und Stadtarchitekt Grundmann 1926 resü- mierten.2 Nach dem Ersten Weltkrieg, der »Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts«,warf bei der Einführung der erstmals demokratisch auch von Frauen gewählten Stadtver ordneten im Januar 1919 Oberbürgermeister Dr. Johan- nes Hübschmann (1867–1930) einen Blick zurück und machte deutlich, dass die Jahre vor 1914 nicht nur das Stadtbild wesentlich geprägt, sondern die Stadtent- wicklung insgesamt entscheidend vorangebracht hat- ten. Er verwies »auf die großen Monumentalbauten des letzten Jahrzehnts, unsere prächtigen Schulgebäude, [...] die neuzeitlichen Lichtwerke, Gas- und Elektri zitätswerke, [...] unsere großen Talsperren, unsere schönen Parkanlagen, [...] die Verbesserungen auf dem Gebiete des Schulwesens, vor allen Dingen des Fach- und Fortbildungsschulwesens, des Hilfsschulwesens und [...] die Errichtung neuer höherer Schulen«.3 Der Aufzählung hinzuzufügen sind teilweise umfangreiche Komplexe für das Sozial-, Gesundheits- und Kranken- wesen. 1 Schützenscheibe mit Ansicht des Königsplatzes mit König- Albert-Museum, Neuem Stadt theater und Petrikirche (v.l.n.r.)
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