Leseprobe

40 Da der Oberbürgermeister viele realisierte Vorhaben konkret benannte, konnte er mit den »großen Monu- mentalbauten« nun diejenigen gemeint haben, deren Errichtung und Einweihung die letzten großen Ereig- nisse vor dem Ersten Weltkrieg in der Stadt waren und die seitdem das Stadtbild mitbestimmen: König-Albert- Museum,Neues Stadttheater und Neues Rathaus.Damit war auch in Chemnitz »eine Epoche des Aufstiegs, der erfolgreichen wirtschaftlichen und städtebaulichen, aber auch geistig-kulturellen Entwicklung, einer alles in allem noch intakten bürgerlichen Gesellschaft zu Ende«4 gegangen. Die Realisierung der von Johannes Hübschmann ge­ nannten Vorhaben war ebenso ein Ergebnis des wirt- schaftlichen Aufschwungs der Stadt, wenn auch dieser nach der Jahrhundertwende kurzzeitigmassiv gedämpft wurde. Dessen Erträge verstand das Chemnitzer Bür- gertum ebenso als Verpflichtung, sich mehr und mehr als Förderer des Theaters wie der Kunst und Wissen- schaft allgemein zu verstehen. Parallel dazu vollzog sich ein Prozess, in dem gerade die wirtschaftlich erfolgreichen Städte Kunst- und Kulturförderung als ein neues Politikfeld erkannten, das ihre Außenwirkung stärken konnte und es ihnen ermöglichte, sich neben den Residenzen mit ihren traditionell hochstehenden Angeboten zu profilieren.5 Dafür bedurfte es zur Prä- sentation, aber auch zur Repräsentation, neuer bauli- cher Hüllen. Betrachtet man all diese Faktoren und Zusammen- hänge, so wird deutlich, dass es weiter und tiefer gehende Gründe gegeben haben musste, die den Bau des König-Albert-Museums – und damit in Verbindung den des Neuen Stadttheaters – veranlassten, als es der erste Vorschlag dazu vermuten lässt. Es bedurfte aller- dings erst eines Stadtpolitikers,der das entsprechende Verständnis, eine neue Sichtweise und die dafür not- wendige Energie aufbrachte. II. Über 20 Jahre hatte Dr.Wilhelm André (1827–1903) seit 1874 sehr erfolgreich die Stadt geführt und sich blei- bende Verdienste erworben. Unter seiner Führung war Chemnitz 1883 in den Kreis der Großstädte eingetre- ten.6 Der nun schon fast 70-Jährige trat 1896 in den Ruhestand. An seiner Seite fungierte seit 1880 Eduard Hechler (1838–1910) im neu geschaffenen Amt eines Stadtbaurats und hatte sich um Schulbau und um die Infrastruktur verdient gemacht. Wie Jens Kassner schrieb, war sein Wirken neben anspruchsvolleren architektonischen Gestaltungen allerdings auch von »dem Bedürfnis rascher Stadtentwicklung geprägt«.7 Er hatte vor der Jahrhundertwende bereits das 60. Lebens- jahr erreicht und bat 1900 um seine Versetzung in den Ruhestand.8 Um es noch einmal deutlich auszusprechen: Sowohl Wilhelm André als auch Eduard Hechler haben sehr viel Positives für die Stadt bewirkt. Ihr Schaffen fiel in die Zeit der Hochindustrialisierung nach 1871 und des damit verbundenen Bevölkerungswachstums.Diese Prozesse unterstützten sie insbesondere durch den Aufbau der für damalige Verhältnisse modernen Versorgungsme- dien Elektrizität,Gas und Wasser sowie dem neuen Ver- kehrsmittel Straßenbahn.Das wiederumwar die Voraus- setzung für eine zeitgemäße Großstadtentwicklung am 2 Adolf Eltzner und G. Brinkmann, Chemnitzer Stadtansicht um 1870

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