Leseprobe
4411 Ende des 19. Jahrhunderts. Indem sie sich den Anforde- rungen ihrer Zeit stellten und diese zukunftsorientiert bearbeiteten, schufen sie sogleich Voraussetzungen dafür,dass ihre Nachfolger andere Schwerpunkte in den Mittelpunkt ihres Wirkens rücken konnten. Wenn auch – wir kommen darauf noch zu sprechen – die ersten Planungen für die Umgestaltung des Neu- städter Marktes noch von Eduard Hechler (gegen) gezeichnet waren, so wird doch deutlich, dass der per- sonelle Wechsel hier einherging mit den neuen stadt- gestalterischen Herausforderungen. Dass der Blick dafür bei dem Nachfolger Andrés Dr. Heinrich Beck (1854–1933), einem – wie ihn Uwe Müller charakteri- sierte – »Kommunal- und Landespolitiker von Format«,9 vorhanden war, ist offensichtlich.Das unterstreicht auch dessen folgende Bemerkung: »Die Tatsache bleibt jedenfalls bestehen,daß wir in den letzten Jahrzehnten [...] für die künstlerische Ausgestaltung unserer Stadt so gut wie nichts getan haben, und jetzt manche Auf- gabe in dieser Richtung mit erfüllen müssen.«10 An sei- ner Seite stellte sich dann Hechlers Nachfolger Richard Möbius (1859–1945) diesen Herausforderungen. Insofern war das für 1898 anstehende Doppeljubiläum des sächsischen Königs Albert – dessen 70. Geburtstag und der 25. Jahrestag seiner Thronbesteigung – für Heinrich Beck ein willkommener Anlass, mit der Idee zum Museumsbau am 23. Oktober 1897 an die Öffent- lichkeit zu treten. Dass ausgerechnet König Albert (1828–1902) als Anlass und Namenspatron ausgewählt wurde,mag nur auf den ersten Blick verwundern. Seine Biografen rücken – und das sicher zu Recht – zunächst seine militärische Karriere sowie seine Erfolge als Heer- führer im Deutsch-Französischen Krieg 1870/71,die ihm als erstem Sachsen die Ernennung zum preußischen Generalfeldmarschall einbrachte (seine beiden Nach- folger erhielten später den Rang ebenfalls), in den Mit- telpunkt.Sie betonen aber zugleich,welche Rolle er bei der »neue[n] Baulust«11 in Dresden im Zusammenhang mit dem 1889 anstehenden Wettin-Jubiläum in den 1870er und 1880er Jahren spielte, und dass »er [...] das kulturelle Leben seines Landes [förderte]«12. Ein wich- tiger Aspekt für die Namenswahl dürfte auch gespielt haben, dass das zwischen 1884 und 1887 in Dresden umgebaute Zeughaus »die Kunstsammlungen der Stadt in einem angemessenen Ausstellungsgebäude«13 prä- sentierte und den Namen »Albertinum« erhalten hatte. Mit einem »König Albert-Museum« (so die ursprüng liche Schreibweise) sah sich Chemnitz auf Augenhöhe mit der Haupt- und Residenzstadt. Die Namenswahl zeigte zudem die besondere Verbundenheit der Stadt mit dem sächsischen Herrscherhaus; auch im ausge- henden 19.und beginnendem 20. Jahrhundert betrach- tete sich zumindest das Chemnitzer Bürgertum als »gut wettinisch«.14 III. Wie auf der eingangs beschriebenen Stadtansicht deut- lich zu erkennen, bot tatsächlich nur der Neustädter Markt genügend Raum für die Realisierung neuer städ- tebaulicher Vorhaben. Bis in die frühen 1880er Jahre wurde er vor allem für Märkte, Jahrmärkte und Feste genutzt.15 Dafür wurden auch kurzzeitig Gebäude und Anlagen errichtet, wie eine Fotografie von Carl Römler aus dem Jahr 1870 zeigt.16 Eine erste bauliche Aufwer- 3 Plan zur Bebauung des Neustädter Marktes, um 1899 4 Zeichnung des »Chemnitzer Forum« auf dem Neustädter Markt, 1900
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