Leseprobe
4433 dieser Richtung positioniert – ein »geeigneterer Platz«27 könne nicht gefunden werden. Für den Platz sprach auch, dass er sich in städtischem Besitz befand und somit keine Ausgaben für den Grunderwerb notwendig wurden.28 Dennoch häuften sich in den ersten Jahren nach der Beschlussfassung Stimmen,die gegen den Ort waren. Dabei gab es durchaus – zumal noch nach dem Vorschlag, auch einen Theaterneubau zu errichten – Einwände, denen ästhetische Absichten nicht abge- sprochen werden konnten. Diese bezogen sich vor allem darauf, »daß Monumente, Gebäude und Denkmä- ler, auf entsprechend großen Plätzen übersichtlich und weit erkennbar möglichst auf deren Mitte errichtet wer- den müssten«.29 Damit wäre jedoch »der Platz [...] als solcher vernichtet worden«.Die Absicht habe aber darin bestehen müssen, »einen von Gebäuden umschlosse- nen Platz zu bilden«.30 Letztlich zogen sich diese Auseinandersetzungen, die noch von anderen Fragen,wie der Beibehaltung von Märkten oder den »Sichtwünschen« der Anwohner,mit- getragen waren, bis zur endgültigen Bestätigung der Pläne hin.So zeigt eine Zeichnung,dass zwischen Pet- rikirche und Museumsbau als Sichtachse eine Allee lie- gen sollte, die den Platz durchschnitten hätte, und das Museumsgebäude von Verkaufsständen, Russischen Schaukeln und Karussells umgeben sein sollte.31 Und um es hier gleich anzuschließen: Als eigentlich die Frage, ob ein Theaterbau mit errichtet werden sollte, schon nicht mehr stand, sondern nur noch die Frage, wo der Bau erfolgen sollte, gab es Anregungen, diesen in der Nähe des 1837/38 erbauten Theaters, also in der Gegend Innere Klosterstraße/Am Plan/Webergasse, zu errichten!32 Durchaus ernst zu nehmen war allerdings die Dis- kussion, ob nicht das Gebäude der Aktienspinnerei am Nordrand des Schillerplatzes, das zum 31. Dezember 1904 in den Besitz der Stadt übergehen sollte,33 für die Nutzung als Museum infrage kommen könnte. Im Zuge der oben bereits beschriebenen Diskussionen war schon die Überlegung aufgekommen,das Museum zwi- schen Petrikirche und Aktienspinnerei zu errichten, um den Neustädter Markt als »Paradeplatz« zu erhalten.34 Die Realisierung dieses Planes hätte freilich einen gra- vierenden Eingriff in eine schön gestaltete Grünanlage bedeutet; insofern war der Gedanke einer »Nachnut- zung« des Spinnereigebäudes schon der Nachhalti- gere. Eine umfassende Prüfung erfolgte dann auch, bei der Für und Wider gegeneinander abzuwägen waren. Für die Umnutzung des Gebäudes sprachen neben den Eigentumsverhältnissen die Lage unweit des Neu- städter Marktes, seine Form, Fläche und Größe.35 Ver- gleicht man es mit dem letztlich realisierten Museums- gebäude, so fallen durchaus Parallelen ins Auge. Das Gebäude wies auch ein Spezifikum aus, das für eine museale Nutzung geeignet war: »Der Architekt Friedrich Theodor Roschig hatte das Gebäude aufgrund der Brandgefahr ganz aus Eisen und Stein projektiert und auf Holz als Baumaterial verzichtet.Das Gebäude zählte damals zu den brandsichersten der Stadt Chemnitz.«36 Gegen eine Umnutzung sprachen die Anlage der Säle, die Stellung der Eisenträger,die die Raumbildung unter- brachen,und die dadurch bedingte Deckengestaltung.37 Schließlich waren es zwei Faktoren, die einen Neubau sinnvoll machten: ein ästhetischer und ein ökonomi- scher. Dafür sprach, dass Form und Inhalt eine Einheit bilden müssten und dass der Inhalt die Form bedingen müsse.38 Das konnte mit der vorliegenden »Form« schwerlich realisiert werden. Und: Die Kosten für eine entsprechende Umgestaltung lagen letztlich höher als die für einen Neubau.39 Wie gesagt, die ersten Zeichnungen zur weiteren Neugestaltung des Neustädter Marktes stammten noch von Eduard Hechler. Daran fällt zunächst auf, dass er in einem Entwurf den Platzcharakter durchaus erhalten wollte, indem er die Front des Museumsgebäudes auf der gleichen Länge wie die Ostseite der Kirche anlegte, was dazu geführt hätte, dass in Richtung Königstraße Freifläche erhalten geblieben wäre.40 In zwei weiteren Entwürfen wäre der Platzcharakter verloren gegangen. In einem verläuft der Museumsbau in west-östlicher Richtung über den Platz und »zerschneidet« ihn.41 Bemerkenswert an der anderen Zeichnung ist der Umstand, dass sie schon einen Theaterbau enthält, der südwestlich der Petrikirche zur Bismarckstraße hin liegt (wo er dann auch realisiert wurde), während in südöst- licher Richtung zur Königstraße hin der Museumsbau platziert ist. Beide Gebäude hätten somit auf gleicher Linie gelegen.42 Eine bauliche Umrahmung des Platzes sahen somit alle Zeichnungen nicht vor. Ob nun der Theaterbau schon in intensivere Überlegungen einge- gangen war oder nur eine Vorstellung von Eduard Hechler darstellte, müssen wir offenlassen. Damit sind wir bei einem weiteren Problem ange- langt. Interessant in diesem Zusammenhang ist eine Diskussion, die ab November 1899 in der Allgemeinen Zeitung geführt wurde. Sicher hatte man in der Redak- tion keine Kenntnis von den weiteren Planungen im Bauamt und daher nur die Beschlusslage von 1897 im Blick. So schrieb die Zeitung am 10. November 1899: »Immer lebhafter wird in der Bürgerschaft die Frage erörtert, ob das König Albert-Museum oder der Neubau eines Stadttheaters [...] wichtiger für unsere localen Interessen ist.« Der Theaterbau hätte Vorrang vor einem »weit weniger [...] allgemeinem öffentlichen Interesse dienenden Museumsbau«.43 Und die Zeitung veröffent- lichte dann im Januar 1900 den Artikel »Ein Chemnitzer Forum«.44 Hier finden wir eine Zeichnung, die in Bezug auf das Theater die realisierte Gestaltung weitgehend vorwegnimmt: das Theater mittig an der Westseite. Natürlich fehlte nicht der Verweis auf den Dresdner Theaterplatz mit der Hofoper (»Semper’s Altes Hof- Theater [Dresden]« mit den Maßen!), der auf das Mu seum fehlte jedoch. Letztlich erfolgte bis 1902 eine zweigleisige Pla- nung: einmal die für einen Theaterneubau auf dem Neu- städter Markt und einen Museumsbau in den Schiller- platzanlagen vor der Aktienspinnerei, zum anderen die, die letztlich auf dem Neustädter Markt zur Ausführung gelangte. Letztere überzeugte dann auch den Bauaus- schuss, der beschloss, sie weiter zu verfolgen. Damit sollte »nun der Wunsch vieler Einwohner in Erfüllung gehen«.45
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