Leseprobe

74 Landschaft wurde bewusst mit in die Garten- bzw.Park- gestaltung einbezogen, die Anlagen selbst der beste- henden Topografie angepasst und Pflanzungen, Baum- haine, Rasenflächen oder Gewässer so organisch und natürlich wie möglich gehalten. Die englische (Landschafts- bzw. Garten-) Architek- tur des 18. Jahrhunderts wurde – neben anderen – ins- besondere von Thomas Whately (1726–1772), William Chambers (1723–1796) und Johann Heinrich Müntz (1727–1798) geprägt. Neben Müntz,6 der seit 1792 für den Landgrafen von Hessen-Kassel tätig war und der seine über viele Jahre hinweg in verschiedenen euro- päischen Ländern erworbenen Erfahrungen einbringen konnte, vollzog sich der Transfer dieser Kunst nach Deutschland vor allem durch die Rezeption der von englischen Gartenkünstlern geschaffenen Werke durch Christian Hirschfeld (1742–1792) und Friedrich Ludwig Sckell (1750–1823).7 Die Idee,nun auch hierzulande auf dem Feld der Gartengestaltung das Schöne mit dem Nützlichen zu verbinden und die so geschaffenen Werke einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen, wurde von Hirschfeld mit dem Modell der »Volksgärten« weiterentwickelt. Diese jedermann zugänglichen Gartenanlagen seien, so Hirschfeld,derart zu konzipieren, dass sie durch ihre Erscheinung den Besucher nicht allein ästhetisch zu beeindrucken, son- dern zugleich auch moralisch zu bessern versuchen sollten – eine Besserung,die durch die dem städtischen Leben eigenen negativen Auswirkungen auf die menschliche Moral nötig werde.8 Sichtbar wurde der britisch-deutsche Kulturtransfer auf dem Gebiet der Landschafts- und Gartenkunst etwa durch den ab 1769 von Johann Friedrich Eyserbeck (1734–1818)9 im Auf- trag des Fürsten Leopold III. Friedrich Franz von Anhalt- Dessau (1740–1817) angelegten Park von Wörlitz oder durch die Anlage des Englischen Gartens in München durch Friedrich Ludwig Sckell zwischen 1789 und 1792. Der Englische Garten der bayerischen Haupt- und Resi- denzstadt München entwickelte sich jedoch zugleich aus einem ebenfalls 1789 direkt daneben angelegten Militärgarten, dessen Flächen nach seiner Auflassung im Jahr 1800 Teil des Englischen Gartens wurden.10 Explizit verweist Sckell in seiner erstmals 1807 publi- zierten Denkschrift auf die vielfältigen positiven Effekte, die sich für die Allgemeinheit aus der Nutzung der Gartenanlagen ergäben.11 Derartige Volksgärten ent- standen mit Beginn des 19. Jahrhunderts – neben München – auch in zahlreichen weiteren deutschen Städten, im europäischen Ausland und ebenso in Nord- amerika. Im Königreich Preußen wurde die neue Park- konzeption aufgegriffen und weitergeführt von Peter Joseph Lenné (1789–1866)12 und seinem Schüler Gus- tav Meyer (1816–1877).13 Zweifelsohne zählt Lenné zu den bedeutendsten Gartenarchitekten des deutschen Kulturraums, der mit seinen Arbeiten insbesondere die Landschaft zwischen Berlin und Potsdam nachhaltig zu prägen vermochte. Lenné schreckte bei der Neugestal- tung von Landschaftsarealen, insbesondere bei größe- ren Projekten, auch nicht davor zurück, gewachsene Strukturen wie etwa alte Baumbestände roden zu las- sen,um Platz für seine Ideen zu schaffen.Dazu gehörte die Kombination von natürlich wirkenden Flächen mit Wiesen und Waldabschnitten mit Blumenbeeten und Teichen mit Springbrunnen. Bei ihm ist zudem die gezielte, systematische Verwendung »exotischer«, das heißt aus Amerika oder Asien stammender Pflanzen nachweisbar.14 Großräumig angelegte Parkanlagen ver- band er über eingebaute Sichtachsen, von denen wie- derum verschlungene Pfade und Wege abzweigten,die zu in verschiedensten Formen angelegten Pflanzungen bzw. Bäumen und Buschwerk führten. Gleichwohl behielt Lenné neben der ästhetischen Dimension sei- nes Wirkens stets die soziale bzw. gesundheitliche Facette im Sinne der Erholungs- und Entspannungs- funktion für jedermann im Blick. Auf diesen Aspekt ver- wies auch Lennés Schüler Gustav Meyer, der als »Städ- tischer Gartendirector zu Berlin [sic]« an das Werk sei- nes Lehrers anknüpfte, in seiner erstmalig 1859 veröf- fentlichten Schrift Lehrbuch der schönen Gartenkunst . Neben Lenné und Sckell gilt Hermann von Pückler- Muskau (1785–1871)15 als der bedeutendste deutsche Gartenkünstler des 19. Jahrhunderts; seine von ihm selbst gestalteten Anlagen von Muskau und Branitz zählen unstrittig zu den herausragendsten europäi- schen Garten- bzw. Parklandschaften. Pückler scheute für seine Visionen weder Kosten noch Mühen. So ließ er in enormen Mengen Mutterboden anliefern, da sich der karge märkische Sandboden für seine Gehölze und Pflanzen als ungeeignet erwiesen hatte. Zudem gelang es ihm erstmalig überhaupt im Gartenbau, ausgewach- sene Bäume zu verpflanzen. Öffnung und Zugänglich- keit der Anlagen für die Allgemeinheit bildeten dabei von Beginn an einen Baustein in Pücklers Konzeption. Den Besuchern bot sich so die Möglichkeit, in ent- spannter Atmosphäre die Natur zu genießen. In der Fol- gezeit trat überdies in Bezug auf die Naturkunde ein spezifischer Bildungsgedanke hinzu, indem etwa die Bäume und Pflanzungen mit einer Beschilderung ver- sehen wurden,die den Besuchern Auskunft über Name, Herkunft und Verbreitung gab.16 Hatten sich Gartenar- chitektur,Garten- und Landschaftsgestaltung in Deutsch- 2 Der Park und das Arboretum von Muskau, 1868

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