Leseprobe

Neben Charles Sprague Sargent zählt Frederick Law Olmsted (1822–1903) zum Kreis jener Persönlichkeiten, die die Garten- und Landschaftsarchitektur der Verei- nigten Staaten im 19. bzw. im frühen 20. Jahrhundert entscheidend prägen und zugleich Impulse für globale Entwicklungen und Trends auf diesem Gebiet setzen sollten.23 Olmsted war unter anderem Chefarchitekt des Central Parks in Manhattan/New York und der Capitol Grounds in Washington und darüber hinaus für die Umsetzung Hunderter Garten- und Landschaftsbau- Projekte in den USA verantwortlich. Er war geprägt von den Vorstellungen der seit dem ausgehenden 18. Jahr- hundert vor allem in England populär gewordenen »moral-treatment-Bewegung« und von Mitte des 19. Jahrhunderts viel diskutierten Miasmen-Theorien. Diese Sichtweisen hatten sich bei Olmsted durch sein Wirken als General Secretary of the Sanitary Commis- sion der Nordstaaten-Armee während des Sezessions- kriegs (1861–1865) noch verstärkt, in dem er tagtäglich mit den schwierigen Lebensbedingungen der Soldaten und ihrem schlechten Gesundheitszustand konfrontiert war.24 »Bei Olmsted ist es nicht wie bei den deutschen Volksgärten die symbolische Verbindung zwischen Schönheit und moralischen Ideen, die diese pädagogi- sche Wirkung von ›Landschaft‹ begründet.Er argumen- tiert vielmehr mit Kausalitätsverhältnissen auf psychi- scher und physischer Ebene [...]«.25 Mit vergleichbaren Auswirkungen auf den Menschen sah sich Olmsted später in den Wohnquartieren der sich rasch vergrö- ßernden amerikanischen Industriestädte konfrontiert. Sein Vorschlag zur Verbesserung dieser Situation bestand in der Errichtung ausreichend großer Parkan­ lagen mit guter Erreichbarkeit auch für einfache Leute, das heißt in allen Stadtteilen, und mit großen offenen Rasenflächen und verschiedenen Formen von Vegeta- tion. Olmsteds Idee von »natural scenery« ist auch als Übertragung der Vorstellungen einer liberalen, bürger- lichen Gesellschaft auf einen neu zu schaffenden Teil des öffentlichen Raumes zu sehen. »Free movement«, »easy access« und »free association« sollten in den Parkanlagen amerikanischer Städte die Ideale der modernen, demokratischen Industriegesellschaft der Vereinigten Staaten des ausgehenden 19. Jahrhunderts spiegeln.26 Sanft modellierte Rasenflächen (»greens- ward«) sollten zum Betreten, zu Zusammenkünften ein- laden und damit Wohlbefinden (»hospitality«) generie- ren.Umrahmt bzw.eingehegt wurden diese Flächen von Baumgruppen oder Wäldern,die Schatten spenden und den Park von der sie umgebenden Großstadt mit ihren vielfältigen, oft schädlichen Geräuschen und Gerüchen abgrenzen sollten.27 Parkways gewährleisteten als linear konzipierte Parkräume den »easy access« zwi- schen einzelnen Parks und den Zugang zu den Parks aus weiter entfernten Stadtteilen und sind als Verge- genständlichung der Idee der Gleichheit aller Bürger zu verstehen, die jedermann einen einfachen Zugang zum Park ermöglichte.28 Neben der Nutzung grüner Freiflä- chen zur zwanglosen Bewegung und Entspannung bestand für Olmsted ein weiterer Zweck neu geschaf- fener, aber auch bereits vorhandener, »natürlicher« Landschaften darin,durch die Wahrnehmung von »natu- ral scenery« beimmenschlichen Betrachter psychische Entspannung, ja Erholung vom Alltag zu bewirken.Daher plädierte Olmsted nachdrücklich für die Sicherung und Einrichtung von öffentlich zugänglichen »National Parks« in den USA.29 Mitarbeiter bzw. Schüler Olmsteds reisten vor dem Ersten Weltkrieg mehrfach nach Deutschland, um sich von Pücklers Konzeption und Schöpfungen in Muskau inspirieren zu lassen.30 Zu ihnen zählte etwa der renom- mierte Landschaftsarchitekt Charles Eliot (1859–1897), der Sohn des Präsidenten der Harvard University Charles William Eliot. Charles Eliot hatte sich im Nachgang zu seinem Besuch in Muskau im September 1886 geradezu euphorisch gezeigt von der Anlage des Geländes und der harmonischen Integration verschiedenster bereits vorhandener Gebäude wie etwa einer Mühle in den Park durch Pückler. Eliot zufolge sei es Pückler zuerst um Authentizität,um das Charakteristische »seiner« Anlage gegangen, weniger um eine besonders herausragende Qualität, etwa durch die Verwendung einer Vielzahl »exotischer« bzw. von weither importierter Bäume und Pflanzen. Diese Besinnung auf das Einzigartige der jeweiligen Landschaft, einschließlich ihrer Topografie und Pflanzenwelt, als konstitutives Strukturelement bei 5 Rosarium im Chemnitzer Stadtpark 6 Weiher im Stadtpark, vor 1900

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