Leseprobe

der Gestaltung von Parks und Gartenanlagen in den USA wurde so zum Credo für Eliots Arbeit.31 Dabei trieb er die von Olmsted begründete Verwissenschaftlichung der Landschaftsarchitektur im Zusammenspiel von Natur- und Sozialwissenschaften weiter voran. So schuf er eine Methode zur Quantifizierung des gesellschaftli- chen Nutzens von Parkanlagen, indem er auf Karten besonders schöne Aussichten (»views«) und Land- schaftsbestandteile (»natural beauties«) erfasste und mittels Flächenvergleich von »open spaces« von ver- schiedenen Städten deren Freiflächenanteil und hier- aus abzuleitenden Bedarf exakt bestimmen konnte.32 Im Zentrum von Eliots Wirken stand das ab 1892 geschaf- fene Metropolitan Park System of Greater Boston,einem aus Parks, Nationalparks, Straßen, Wegen, Küstenstrei- fen mit Flussmündungen und Stränden bestehenden Gesamtkomplex rund um Boston und an der Atlantik- küste der Massachusetts Bay.33 Darüber hinaus war er bis zu seinem frühen, 1897 durch Meningitis verursach- ten Tod, federführend an der Entstehung des White Park in Concord (1888), des Mill Creek Park in Youngstown (1891) sowie an der Stadtplanung von Salt Lake City beteiligt.Seine Fachartikel in der Zeitschrift Garden and Forest wurden breit rezipiert und verliehen nicht allein der amerikanischen Gartengestaltung und Landschafts- architektur zahlreiche Impulse. Olmsted und Eliot in Deutschland Unterdessen hatte sich 1887 in Dresden der Verein deutscher Gartenkünstler (VdG) gegründet. Den Initia- toren – unter ihnen mit Julius und Armin Sckell zwei Mit- glieder der bekannten deutschen Gärtner-Familie Sckell – ging es vor allem um die Erhaltung und Weiter- entwicklung der Gartenkunst und Landschaftsarchitek- tur im sich rasant zu einer urbanen Industriegesell- schaft entwickelnden Deutschen Kaiserreich. Immerhin stieg der Anteil der Stadtbevölkerung an der Gesamt- bevölkerung in Deutschland zwischen 1871 und 1910 von 36 auf 60 Prozent.34 Im selben Zeitraum wuchs die Bevölkerung von 41 auf 65 Millionen Menschen. Urba- nisierung und Bevölkerungswachstum zogen überall in Deutschland die Ausdehnung der Städte in das Umland nach sich,wenn auch in teils unterschiedlicher Intensi- tät. Das Königreich Sachsen entwickelte sich in diesem Zeitraum zu der am stärksten industrialisierten Region des Kaiserreichs und zu einer der »wirtschaftlich fort- geschrittensten Regionen Europas«.35 Dieser dynami- sche, durchaus mit der Entwicklung in den Vereinigten Staaten vergleichbare Prozess stellte die Kommunal- politik und ihre Haushalte auf harte Belastungsproben, etwa in Bezug auf den Ausbau des Schulwesens, die Trinkwasserver- und Abwasser-, Abfall- und Müllent­ sorgung und die Verlegung von bzw. den Anschluss an Gas- und Elektrizitätsnetze. Dies führte zum Bau von kommunalen Wasser- und Elektrizitätswerken und Gas- anstalten, von Stadtkanalisationen, Schlachthöfen und Markthallen, aber auch von Volksbade- und öffentlichen Waschanstalten, von Stadtbüchereien und – last but not least – auch von städtischen Grünanlagen. Die Grün- dung des VdG36 in Dresden 1887 hatte zudem zur Folge, dass noch im selben Jahr im Dresdner Großen Garten37 die 1. Internationale Gartenbauausstellung durchgeführt wurde, der 1896 und 1907 noch zwei weitere, ebenfalls in Dresden, folgen sollten. Die maßgeblich von der bereits 1826 gegründeten Sächsischen Gesellschaft für Botanik und Gartenbau Flora initiierte und organisierte Ausstellung erwies sich als großer Erfolg und wurde zu einem wichtigen Impulsgeber für die weitere Entwick- lung des Garten- und Landschaftsbaus in ganz Deutsch- land.Neben Dresden fanden insbesondere in Erfurt und in Hamburg, aber auch in weiteren deutschen Städten teils mehrfach deutsche bzw. internationale Garten- schauen statt. Erfurt etwa hatte sich bereits zu dieser Zeit den Ruf als »Blumenstadt« und eines der bedeu- tendsten europäischen Zentren des Gartenbaus erwor- ben.38 Als Publikationsorgan diente die 1890 erstmalig herausgegebene Zeitschrift für bildende Gartenkunst , die Monatszeitschrift des Vereins der Gartenkünstler. Sie wurde 1899 umbenannt in Die Gartenkunst . Zeit- gleich konstituierten sich beispielsweise auch Rosen- liebhaber im 1883 in Hamburg gegründeten Verein deut- scher Rosenfreunde, der 1898 in Sangerhausen neben dem Stadtpark ein vereinseigenes Rosarium anlegte, um gezielt »Rosenzucht und -forschung« betreiben zu können.39 Neben der Entwicklung gartenkünstlerisch anspruchs- voller Anlagen verlagerte sich in dieser Zeit der Schwer- punkt insbesondere des städtischen Gartenbaus auf die Weiterentwicklung von städtischen Gärten und Parks hin zu »Bürgergärten« bzw. »Volksparks«. Dabei ver- schob sich das Design dieser Anlagen zunehmend hin zu einer auf den Nutzer, das heißt den Stadtbewohner und dessen Freizeitbedürfnisse bzw. -verhalten zuge- schnittenen Ausgestaltung,mit der nun beispielsweise auch dem gestiegenen Interesse an körperlicher Bewe- gung, an Leibesübungen, Sport und Spiel im öffent­ lichen Raum Rechnung getragen wurde. Dieser Ent- 7 »Vom Schloßteiche«, vor 1900

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