Leseprobe

11 Die Kunstleidenschaft führt zum unbeabsichtigten Weg nach Weimar Schon in jungen Jahren begeisterte sich der im September 1896 in der Kleinstadt Weferlingen bei Braunschweig geborene Max Peiffer9 für die bildenden Künste, besuchte Kunstausstellungen, malte und zeichnete autodidaktisch.10 Dennoch entschied er sich wenige Monate nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs für den vermeintlich sicheren beruf­ lichen Weg und begann im Herbst 1914, Rechtswissenschaften in Straßburg, Frankfurt am Main und in München zu studieren.11 Das Stu- dium verfolgte er zielstrebig und so wurde er im Jahr 1918 mit einer Arbeit über Kirchenrecht in Würzburg promoviert. Anschließend musste er für kurze Zeit Kriegsdienst leisten. In den turbulenten Monaten nach dem Zusammenbruch des Kaiserreichs und dem damit verbundenen politi- schen Systemwechsel zog er 1919 in das im südlichen Teil des Ruhr­ gebiets gelegene Hattingen, um sein Referendariat am dortigen Amts­ gericht zu absolvieren. Dass er sich im zweiten Anlauf für die Kunst entschied und noch einmal studierte, ist seiner anhaltenden Kunst­ leidenschaft und einem glücklichen Umstand zu verdanken. So nahm sich der kunstinteressierte Autodidakt neben seinem arbeits­ intensiven Studium in München ausreichend Zeit, um regelmäßig die Pinakotheken sowie Ausstellungen zeitgenössischer Kunst in der Kunstmetropole zu besuchen.12 Nachweislich beeindruckten ihn die Präsentationen der Galerie Neue Kunst – Hans Goltz13 am Münchner Odeonsplatz, die im Jahr 1917 anlässlich einer Gruppenausstellung mehrere Arbeiten des aufstrebenden Künstlers Paul Klee zeigte (Abb. 1).14 »Als ich als junger Student [...] eine Ausstellung der Kunsthandlung Goltz besuchte«, so erinnerte sich Peiffer Watenphul an seine erste Begegnung mit Klees Kunst, »fielen mir dort die Zeichnungen auf, wie ich sie nie im Leben gesehen hatte. Sie sahen von weitem aus wie kindliche Kritzeleien oder Muster [...]. Die kleinen Zeichnungen faszinierten mich derartig, daß ich fast jeden Tag in die Galerie Golz ging und wie gebannt vor ihnen stand. [...] Ich hätte sehr gerne Näheres über diesen merkwürdigen Künstler gewußt, aber ich war zu jung und zu scheu, um ihn zu besuchen und seine persönliche Bekanntschaft zu machen. Aber ich verfolgte mit brennendem Interesse alles, was ich über ihn erfahren konnte, und vor allem bemühte ich mich, mehr von seinen Arbeiten zu sehen.«15 Angesichts derartig prägender Ausstel- lungserlebnisse ist es kein Zufall, dass die ersten eigenständigen und ins spätere Werkverzeichnis aufgenommenen Arbeiten bereits um das Jahr 1917 geschaffen wurden und sich gleichzeitig Peiffer His passion for art guides him inadvertently on a path to Weimar From a young age Max Peiffer,9 who was born in the small town of Weferlingen near Braunschweig in September 1896, was fascinated by fine art; he visited art exhibitions and painted and drew as an auto­ didact.10 Nonetheless, he opted for a supposedly secure career path a few months after the outbreak of World War 1 and started to study law in the autumn of 1914 in Strasbourg, Frankfurt am Main and Munich.11 He pursued his studies diligently and so was able to complete his doctor- ate in 1918 with a thesis about ecclesiastical law. Then he had to serve in the army for a short period. During the turbulent months after the col- lapse of the German Reich and the ensuing political transformation he moved in 1919 to Hattingen, situated in the southern part of the Ruhr region, to do his legal clerkship at the district court. The fact that he set out on a second career path and went back to studying was due to his continuing passion for art and thanks to fortunate circumstances. Thus the enthusiastic art autodidact found enough time alongside his demanding studies in Munich to go regularly to the Pinakothek picture gallery and to contemporary art exhibitions in that art metropolis.12 He is known to have been impressed by the presentations at the Galerie Neue Kunst – Hans Goltz13 at Odeon Square in Munich, where several works by the upcoming artist Paul Klee were shown in a group exhibition in 1917 (fig.1).14 “When I visited an exhibition at the art dealer’s Goltz as a very young student”, as Peiffer Watenphul recalled, looking back at his first encounter with Paul Klee’s art, “I was captivated by the drawings, which were nothing like I had ever seen before in my whole life. From a distance they looked like childish scribbles or mere patterns (...) The small drawings fascinated me to such an extent that I went to Galerie Goltz nearly every day and stood spellbound in front of them. (...) I would have liked to learn more about this strange artist, but I was too young and shy to visit him and make his personal acquaintance. But I tracked down Abb.1 Paul Klee, Die Hexe mit dem Kamm , 1922, Lithografie, 40,4×28,1 cm, Kunst­ sammlungen Chemnitz Fig. 1 Paul Klee, The witch with the comb , 1922, lithograph, 40.4×28.1 cm, Kunst­ sammlungen Chemnitz

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