Leseprobe

tematische, klar chronologi- sche Reihung zu einem großen Bild der Erzählung zusammen- fügen. Er verwies zudem darauf, dass sich Slevogt zuweilen von der Geschichte löste und frei hinzuerfunden habe. Aber: Märchen könnten eben »immer neu gelesen und angeschauet werden«. Tatsächlich knüpfte Slevogt zwar zum einen an die Tradition der Bilderbögen des 19. Jahr- hunderts an, nahm sich zum anderen aber größere künstle- rische Freiheiten und spielte mit den Möglichkeiten der Komposition von Bildern im Bild. Immer wieder fand er für den Charakter und Verlauf der Märchen Der Propyläen Verlag in Berlin, geleitet von Emil Herz, veröf- fentlichte seit seiner Gründung 1919 neben Werken zur Ge- schichte und Kunstgeschichte auch Klassiker und Belletristik. 1920 verhandelte Slevogt mit dem einflussreichen Kunstkri- tiker und Herausgeber Julius Elias über die Publikation der Alten Märchen . Elias förderte, ähnlich wie Cassirer, die Künstlerillustration. Die Idee war wohl gemeinsam mit den Freunden Guthmann und Zim- mermann während des Rück- zugs nach Neukastel in den Kriegsjahren entstanden. Anders als in den meisten Märchenbüchern folgen hier die Texte den 20 Illustrationen. Die Bilder sind nicht in den Text eingefügt, sondern füllen jeweils eine ganze Querseite. Autor der oft ebenfalls nur eine Seite umfassenden Texte war der mit dem Künstler befreun- dete Joachim Zimmermann. Er schuf freie Nacherzählungen und erklärte dazu im Vorwort des Buches, seine Worte möchten dazu dienen, »damit ihr [die Leser] leichter den munteren Sprüngen der Feder folgen könnt. Zumal da der Zeichner leider keinen allzu- großen Ordnungssinn bewie- sen hat.« Zimmermann meinte damit die unorthodoxe Anord- nung der einzelnen Szenenbil- der, die sich in kunstvollen Kompositionen, aber ohne sys- Alte Märchen mit der Feder erzählt Handlung eigene Strukturen, Gliederungs- und Verbindungs- elemente. Mal ist es ein archi- tektonischer Rahmen, wie bei der Geschichte um den Ritter Blaubart, mal ein pflanzlicher, etwa bei Paiwai und Paiwuzzo , wo von Affen bekletterte Lia- nen die Einzelbilder trennen. Oft finden sich Anklänge an die Bühne, die seine Liebe für Theater und Oper offenbaren. Die ausgewählten Märchen stammen von verschiedenen Autoren, unter ihnen die Ge- brüder Grimm, Wilhelm Hauff und Charles Perrault. – KR 131

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