Leseprobe

26 Einleitung Auf der Suche nach prägenden Kindheitseindrücken ist zuallererst Kohls Heimatstadt Freiberg mit ihrem reichen Bauschmuck zu nennen. Von Romanik über Gotik und Renaissance bis hin zu Grün­ derzeit und Jugendstil hatte er hier alle Architekturepochen vor Augen. Dass schmückende Bau- elemente zu einem Haus dazugehören, und zwar nicht nur gestaltete Gesimse, Laibungen, Gebälk usw., sondern auch vegetabiler Schmuck sowie Köpfe und ganze Figuren, lernte er hier. Selbst lebensgroße, in Stein gehauene Bergmannsfiguren fand er in den Straßen der Stadt, beispielsweise am Eingang der Ermischstraße an einer Hausecke oder vor dem Rathaus aus dem Jahr 1913. Sie mochten zu seinemWunsch beigetragen haben, »einmal einen richtigen Bergmann [zu] schaffen« 21 [S. 115]. Als Kohl von 1952 bis 1956 in der Berliner Stalinallee mitarbeitete, flossen diese frühen Freiberger Seheindrücke in seine Vorstellungen von Bauschmuck ein; dort war es anstelle des Berg- mannes ein Bauarbeiter [Abb. 59–61]. Für Kohl als kunstgewerblichemGestalter, der Schaukelpferde, Lampen, Dosen, Teller, Reliefs und schließlich auch Porträtköpfe und Figuren aus Holz entwarf und produzierte, war dagegen die Ver- ankerung in der Schnitztradition des Erzgebirges prägend. In diesem Teil Sachsens wurde schon immer geschnitzt, es gab einen großen Waldreichtum und einen ganzen Gewerbezweig mit der erzgebirgischen Krippen-, Pyramiden-, Leuchter- und Spielzeugschnitzerei, mit geschnitzten Scha- tullen, Möbeln usw. Vor allem aber wurde er als Sohn eines Holzbildhauermeisters geboren, dessenWerkstatt in der Freiberger Kesselgasse 7 er bis in die 1960er Jahre hinein weiterführte. 22 Auch wenn überliefert ist, dass der Vater eine künstlerische Ausbildung seines Sohnes nicht förderte und dieser seine ersten Schritte ohne väterliche Unterstützung gehenmusste, erwiesen sich doch die frühe handwerkliche Arbeit, das Herangehen an dreidimensionale Gegenstände und das Eindenken in denWerkstoff Holz als Grundlagen für seine spätere künstlerische Tätigkeit. Die Basis – Kohls Herkunft aus der Stadt Freiberg im Erzgebirge Abb. 16 Gottfried Kohl, Porträtkopf Prof. Erich Rammler, 1976, Bronze, 30×22×27 cm, TU Bergakademie Freiberg, WV 130 Abb. 15 Gottfried Kohl, Porträtkopf des Chemikers Gustav Tammann, o. J., Bronze, 40×20×30 cm, TU Bergakademie Freiberg, WV 131

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